Leitsatz (amtlich)
Nach § 26a StPO darf nur vorgegangen werden, wenn es sich um eine reine Formalentscheidung handelt, die keine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalles erfordert.
Der Betroffene kann darauf vertrauen. dass über einen frühzeitig gestellten Terminsverlegungsantrag so rechtzeitig entschieden wird, dass ein Wechsel des Verteidigers bis zum Termin noch möglich ist.
Verfahrensgang
AG Goslar (Entscheidung vom 30.04.2012) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 30. April 2012 wird das genannte Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Goslar zu-rückverwiesen.
Gründe
I.
Der Landkreis Goslar erließ gegen den Betroffenen am 16. September 2011 einen Bußgeldbescheid. Nach Einspruch des Betroffenen bestimmte das Gericht bereits am 06.01.2012 Termin zur Hauptverhandlung auf den 30. April 2012. Mit Schriftsatz vom 26.03.2012 beantragte der Verteidiger, das Verfahren einzustellen und stellte zugleich den Antrag. andernfalls den Termin zur Hauptverhandlung wegen seines vom 27.04.2012 bis zum 01.05.2012 dauernden Kurzurlaubs zu verlegen. Mit am 19.04.2012 eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. April 2012 gab der Betroffene zu, der Fahrer gewesen zu sein, und beantragte, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Zugleich suchte der Verteidiger ein weiteres Mal im Hinblick auf den Kurzurlaub um die Verlegung des Verhandlungstermins nach.
Das Gericht befreite den Betroffenen am 24. April 2012 von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen, lehnte jedoch die begehrte Verlegung des Termins mit der Begründung ab. dass bereits am 10.01,2012 geladen worden sei und teilte dies dem Verteidiger des Betroffenen per Telefax mit. Daraufhin lehnte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. April 2012 den zuständigen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Wegen der Einzelheiten des Schriftsatzes, der in der Rechtsbeschwerdebegründung wörtlich wiedergegeben wird, wird auf BI. 50 - 54 d. A. verwiesen.
Das Amtsgericht Goslar führte dennoch in Abwesenheit des Betroffenen und seines verhinderten Verteidigers die Hauptverhandlung durch. Drei Tage zuvor (am 27. April 2012) hatte das Gericht - durch den abgelehnten Richter selbst - das Befangenheits-gesuch als unzulässig mit der Begründung verworfen, dass durch den Antrag nur erreicht werden solle, dass der Hauptverhandlungstermin (doch noch) aufgehoben wird. Als weitere Begründung verwies der Beschluss auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 24. April 2012. mit der der Antrag auf Verlegung des Termins - wegen der schon lange zurück liegenden Ladung - zurückgewiesen worden war.
Sodann verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen eines fahrlässigen Verkehrsverstoßes (fahrlässiges Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 32 Km/h) zu einer Geldbuße von 120,- € und verhängte zugleich ein Fahrverbot von 1 Monat.
Gegen das am 09. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Betroffene mit einem am 14. Mai 2012 eingegangenen Schriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt und diese in einem weiteren, am 06. Juni 2012 eingegangenen Schriftsatz mit der Verfahrensrüge begründet. Er beantragt. das Urteil des Amtsgerichts Goslar aufzuheben und hat dazu auch vorgebracht. dass die Ordnungswidrigkeit wegen Verjährung nicht weiter verfolgt werden könne. Die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, die das Rechtsmittel unterstützt. hat beantragt wie erkannt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der auf Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG gestützten, den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge Erfolg.
Das Amtsgericht Goslar hat einen durch die Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise aufgezeigten und zur Aufhebung des Urteils führenden Verfahrensverstoß dadurch begangen. dass es - durch den abgelehnten Richter selbst - das Befangenheitsgesuch ohne die gebotene Auseinandersetzung mit dem Inhalt dieses Gesuchs gemäß § 26a StPO als unzulässig verworfen und sodann in Abwesenheit des Verteidigers die Hauptverhandlung durchgeführt hat. Diese Vorgehensweise war rechtswidrig, weil im Befangenheitsgesuch Verfahrensverstöße aufgezeigt wurden und deshalb das Regelverfahren nach § 27 StPO - ohne den abgelehnten Richter - hätte gewählt werden müssen.
Nach § 26a StPO darf nur vorgegangen werden, wenn es sich um eine reine Formal-entscheidung handelt, die keine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalles erfordert (BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, 2 BvR 625/01. 2 BvR 638101, [...], Rn. 57: BVerfG, Beschluss vom 27.04.2007. 2 BvR 1674706. [...], Rn. 53 ff.. 56).
Herzu hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt (Auszug):
..Seit der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.06.2005 (StV 2005, 473f.) und der hierauf fußenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHSt 50. 216f.; B...