Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorraussetzungen einer positiven Prognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB bei Alkohol- bzw. Suchtmittelabhängigkeit. Maßstab der Anrechnung erbrachter Geldauflagen bzw. Arbeitsleistungen im Falle des Widerrufs der Strafaussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die positive Prognose i. S. d. § 56 Abs. 1 StGB ist bei einem Suchtmittelabhängigen, der an therapeutischen Maßnahmen teilgenommen hat, erst dann gerechtfertigt, wenn die begründete Aussicht besteht, dass sie erfolgreich zum Abschluss gebracht wird.
2. Zum Maßstab der Anrechnung erbrachter Geldauflagen bzw. Arbeitsleistungen im Falle des Widerrufs der Strafaussetzung.
Normenkette
StGB § 56 Abs. 1, § 56f Abs. 3
Verfahrensgang
LG Göttingen (Entscheidung vom 18.12.2013) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 18. Dezember 2013 wird kostenpflichtig mit der Maßgabe als (überwiegend) unbegründet verworfen, dass die als Bewährungsauflage i. H. v. 50,00 € geleistete Geldbuße mit insgesamt 2 Tagen auf die zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird.
Gründe
I.
Gegen den Beschwerdeführer wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Göttingen vom 09.03.2011 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Er hatte sich am 06.02.2010 in stark alkoholisiertem Zustand gemeinsam mit anderen gewaltsam Zutritt in das Appartement des Geschädigten verschafft und daraus verschiedene Gegenstände entwendet, um sie für sich zu verwenden. Am 26.09.2010 befuhr er mit dem Fahrrad öffentliche Straßen, obwohl er zuvor erheblich Alkohol konsumiert hatte (BAK mind. 2,96 g Promille). Die Bewährungszeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt, der Beschwerdeführer wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Daneben wurde ihm die Weisung erteilt, an einer ambulanten Alkoholentwöhnungstherapie teilzunehmen und ihm wurde auferlegt, einen Geldbetrag von 500,00 € an einen gemeinnützigen Verein zu zahlen. Bis zu seiner Inhaftierung am 19.10.2011 in anderer Sache hatte der Beschwerdeführer zwei Raten von jeweils 25,00 € gezahlt.
Durch Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 12.06.2012 i.V.m dem Urteil des Landgerichts Göttingen vom 02.01.2013 ist der Beschwerdeführer wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt worden (33 Ls 34 Js 35859/11). Tatzeit war der 05.10.2011. In dieser Sache befindet er sich seit dem 19.10.2011 in Haft. Das Urteil ist seit dem 23.08.2013 rechtskräftig. Auch die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Taten hat der Beschwerdeführer in alkoholisiertem Zustand begangen.
Wegen dieser Nachverurteilung hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 18.12.2013 die dem Verurteilten durch Strafbefehl des Amtsgerichts Göttingen vom 09.03.2011 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 27.12.2013 in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf zugestellt.
Mit Schreiben vom 30.12.2013, eingegangen bei dem Landgericht Göttingen am 31.12.2013, hat der Verurteilte "Widerspruch" gegen den Beschluss vom 18.12.2013 eingelegt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 90 f. d.A. Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 55. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 18.12.2013 als unbegründet zu verwerfen.
Durch anwaltlichen Schriftsatz vom 08.02.2014 hat der Angeklagte ergänzend vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 101 ff. d.A. Bezug genommen.
II.
Das als sofortige Beschwerde auszulegende (§ 300 StPO) Rechtsmittel des Verurteilten ist zulässig und insbesondere fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt worden. In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch ganz überwiegend keinen Erfolg, denn die Strafvollstreckungskammer hat die Strafaussetzung im Hinblick auf die neue Straffälligkeit des Verurteilten zu Recht widerrufen.
1. Gemäß § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Die Erwartung ist dabei durch jede neue Tat von nicht unerheblichem Gewicht in Frage gestellt (Fischer, StGB, 61. Auflage, § 56f, Rn. 8). Grundsätzlich müssen die frühere Tat und das neue Delikt noch nicht einmal einen kriminologischen Zusammenhang aufweisen oder nach Art und Schwere vergleichbar sein, weil die Strafaussetzung stets auf der Erwartung vollständiger Straffreiheit beruht (Hubrach in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 56f, Rn. 14). Daher ist jede Tat geeignet, den Widerruf zu rechtfertigen, wenn sie von einigem Gewicht ist (KG, Beschluss v. 02.04.2001, 5 Ws 113/01, Rn. 7, zitiert...