Leitsatz (amtlich)
Erklärt der Antragsteller in einem selbständigen Beweisverfahren nach Einholung mehrerer Haupt- und Ergänzungsgutachten, durch die von ihm behaupteten Mängel bestätigt wurden, auf eine sachverständige Stellungnahme zu weiteren von ihm bereits gestellten Ergänzungsfragen verzichten zu wollen, ist für eine Kostenentscheidung analog § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO kein Raum.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Aktenzeichen 7 OH 129/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 30.09.2017, mit welchem die Kosten der Antragsgegnerin zu 4) und zu 5) sowie der Streithelferin der Antragsgegnerin zu 4) der Antragstellerin auferlegt worden sind, abgeändert.
Die Anträge der Antragsgegner zu 4) und zu 5) sowie der Nebenintervenientin auf Erlass einer Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Wertstufe bis 16.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht der Antragstellerin die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten der Beschwerdegegner gemäß § 269 Abs. 3 ZPO analog auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Kostenentscheidung ausnahmsweise nach § 269 Abs. 3 S. 2 analog ZPO zu treffen sei, weil die Erklärung der Antragstellerin, dass das Verfahren beendet sei, als Antragsrücknahme auszulegen sei. Die Beschwerdegegner hätten auch keine Möglichkeit, einen Antrag nach § 494 a ZPO zu stellen, weil das selbständige Beweisverfahren nicht schon durch den außergerichtlichen Teilvergleich zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) beendet worden sei.
Gegen diesen ihr am 12.10.2017 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.10.2017, eingegangen beim Landgericht am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO analog nicht zulässig sei, weil den Verfahrensbeteiligten der Weg gemäß § 494 a ZPO offen stehe.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach §§ 269 Abs. 5 Satz, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Im selbständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs von § 494 a ZPO keine Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu treffen, da sie dem Hauptsacheverfahren Vorbehalten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2010 - VIII ZB 14/10 -, NJW 2011, 1292). Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der Antragsteller den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurücknimmt. Kann hierbei kein Hauptsachrechtsstreit anhängig gemacht werden, in diesem diese Kostenfolge ausgesprochen werden kann, ist über die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ausnahmsweise im selbständigen Beweisverfahren zu befinden (BGH, a. a. O.).
Dies setzt allerdings im Ansatz voraus, dass eine Fristsetzung zur Klageerhebung nach § 494 a Abs. 1 ZPO aufgrund der Antragsrücknahme nicht möglich ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2011 - 8 W 265/11 NJW-RR 2011, 1438). Das ist wiederum aber nur dann der Fall, wenn es aufgrund der Antragsrücknahme nicht zur Erhebung verwertbarer Beweise im Sinne des § 493 ZPO gekommen ist (vgl. BGH, a. a. O., OLG Stuttgart, a. a. O.).
Das ist indes vorliegend nicht der Fall. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Warnecke hat über diverse von der Antragstellerin aufgestellten Mängelbehauptungen zwei Haupt- und zwei Ergänzungsgutachten erstellt, so dass damit in einem sehr erheblichen Umfang verwertbare Beweise erhoben wurden. Diese Beweiserhebung umfasste die Problematik des Wärmedämmverbundsystems, der Fensterbänke und der Feuchtigkeit im Balkonbereich. Mit Schriftsatz vom 24.04.2017 hat die Antragstellerin ergänzende Fragen in Bezug auf den vom Sachverständigen vorgeschlagenen Sanierungsweg gestellt sowie eine Aktualisierung der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Hinblick auf die neu entstandenen Putzabplatzungen begehrt. Die Beantwortung dieser ergänzenden Fragen hat die Antragstellerin sodann im Hinblick auf eine Teileinigung mit der Antragsgegnerin zu 1) nicht weiter geltend gemacht. Außerdem hat die Antragstellerin die Beantwortung eines Teils der ergänzenden Fragen aus dem Schriftsatz vom 25.09.2014 zurückgestellt und später nicht weiter verfolgt. Der Verzicht auf neue Ergänzungsfragen kann mit der Rücknahme der ursprünglichen - viel weiter reichenden - Beweisanträge nicht gleichgesetzt werden. Die Konsequenz hieraus kann allenfalls die Präklusion in Bezug auf diese Einwendungen der Antragstellerin in einem etwaigen Hauptverfahren sein.
Es liegen im Übrigen auch unter Berücksichtigung der zurückgezogenen Ergänzungsfragen sehr wohl Beweisergebnisse vor, die in einem Hauptsacheverfahren verwertet werden können (vgl. auch ...