Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der pauschalierten Betreuervergütung
Leitsatz (amtlich)
1. §§ 4 und 5 VBVG betreffend die Vergütung des Berufsbetreuers eines nicht i.S.v. § 1836d BGB mittellosen Betreuten sind mit dem Grundgesetz insofern nicht vereinbar, als diese Vorschriften sowohl für den pauschalierten Stundenansatz gem. § 5 VBVG als auch für den Stundensatz gem. § 4 Abs. 1 VBVG von den Sonderfällen in § 6 VBVG abgesehen in keinem Fall Ausnahmen für besonders aufwendige und schwierige Betreuungen vorsehen.
2. Die Regelung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 VBVG ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit danach der Stundensatz gem. § 4 Abs. 1 VBVG auch Kosten für Aufwendungen des Berufsbetreuers abdeckt, die nicht Aufwendungen i.S.d. § 1835 Abs. 3 BGB darstellen und die nicht zu den gewöhnlichen mit der Führung von Betreuungen regelmäßig verbundenen allgemeinen Kosten gehören, namentlich Reisekosten zur Wahrnehmung von Angelegenheiten in größerer Entfernung vom Wohn- bzw. Dienstort des Betreuers.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1; VBVG §§ 4-5
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 11.04.2006; Aktenzeichen 8 T 301/06) |
AG Clausthal-Zellerfeld (Aktenzeichen 9 XVII 42/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Das Verfahren über die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Braunschweig vom 11.4.2006 wird ausgesetzt.
2. Die Sache wird gem. Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Entscheidung folgender Fragen vorgelegt:
a) Sind §§ 4 und 5 VBVG betreffend die Vergütung des Berufsbetreuers eines nicht i.S.v. § 1836d BGB mittellosen Betreuten mit dem Grundgesetz insofern vereinbar, als diese Vorschriften sowohl für den pauschalierten Stundenansatz gem. § 5 VBVG als auch für den Stundensatz gem. § 4 Abs. 1 VBVG von den Sonderfällen in § 6 VBVG abgesehen in keinem Fall Ausnahmen für besonders aufwendige und schwierige Betreuungen vorsehen?
b) Ist die Regelung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 VBVG mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit danach der Stundensatz gem. § 4 Abs. 1 VBVG auch Kosten für Aufwendungen des Berufsbetreuers abdeckt, die nicht Aufwendungen i.S.d. § 1835 III BGB darstellen und die nicht zu den gewöhnlichen mit der Führung von Betreuungen regelmäßig verbundenen allgemeinen Kosten gehören, namentlich Reisekosten zur Wahrnehmung von Angelegenheiten in größerer Entfernung vom Wohn bzw. Dienstort des Betreuers?
Gründe
I. Der jetzt 50 Jahre alte Betroffene war früher als Vorstandsmitglied eines großen Unternehmens tätig. Dort schied er nach Übernahme des Unternehmens durch ein anderes Unternehmen aus und war freiberuflich als Unternehmensberater tätig. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder. Die Ehe befand sich 2003 in einer Krise. Am 30./31.5.2003 versuchte der Betroffene, sich das Leben zu nehmen. In Folge des Suizidversuchs leidet er ausweislich des Gutachtens von Dr. G. vom 24.2.2004 an einem hirnorganischen Psychosyndrom bei Zustand nach hypoxischer Hirnschädigung mit anamnestischem Syndrom, organischen wahnhaften Störungen, Störung der Krankheitseinsicht, der Gedächtnisausbildung und der räumlichen Orientierung.
Auf Anregung der Ehefrau bestellte das AG Frankfurt/M. mit bis zum 16.1.2004 befristeter einstweiliger Anordnung vom 17.7.2003 die Ehefrau des Betroffenen als ehrenamtliche Betreuerin für die Sorge um das persönliche und gesundheitliche Wohl einschließlich Aufenthaltsbestimmung und Einwilligung in ärztliche Maßnahmen. Daneben bestellte es den Steuerberater des Betroffenen, Herrn M. als Berufsbetreuer für Vermögenssorge (im Folgenden: früherer Vermögensbetreuer). Mit Beschluss vom 17.7.2003 hat das AG Frankfurt/M. das Betreuungsverfahren an das für den damaligen Wohnort des Betroffenen zuständige AG Königstein im Taunus abgegeben.
Mit Beschluss vom 1.8.2003 hat das AG Königstein das Unterbringungsverfahren an das AG Wetzlar abgegeben (Beiakte Unterbringung). Das AG Wetzlar hat mit Beschluss vom 25.8.2003 die Beteiligte zu 2, die Schwester des Betroffenen, zur weiteren Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vertretung ggü. der Klinikleitung bestellt. Mit Beschluss vom 7.10.2003 hat es die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung angeordnet. Nach Rückgabe des Unterbringungsverfahrens an das AG Königstein gab dieses das Unterbringungsverfahren mit Beschluss vom 13.11.2003 an das AG Konstanz ab, das weitere Unterbringungsmaßnahmen in einer Klinik in seinem Bezirk genehmigte.
Unter dem 28.10.2003 legte der frühere Vermögensbetreuer ein Vermögensverzeichnis vor, in dem er die Vermögenswerte mit 1.217.774,95 EUR und die Verbindlichkeiten mit 511.133 EUR bezifferte, wobei er bei den Immobilien und den dazugehörigen Verbindlichkeiten jeweils den Gesamtwert auswies, obwohl der Betroffene und seine Ehefrau insofern jeweils hälftig beteiligt waren. Das Vermögen bestand aus 2 Immobilien, Bankguthaben, Geschäftsanteilen (ohne Bewertung) und Lebensversicherungen. Als laufende...