Verfahrensgang
LG Braunschweig (Aktenzeichen 5 O 3084/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten werden der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 30. Juni 2022 und der Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 29. August 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Klageschrift vom 11. Mai 2021 nehmen die Kläger die Beklagte auf Rückabwicklung eines mit einem Kraftfahrzeugkaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages nach Widerruf in Anspruch.
Der Kläger zu 2) als Darlehensnehmer schloss - vermittelt durch ein Autohaus - mit der Beklagten als Darlehensgeberin auf seinen Antrag vom 9. März 2011 hin einen Darlehensvertrag mit einer Laufzeit von 36 Monaten über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 17.890,00 Euro. Das Darlehen diente der Teil-Finanzierung des Kaufs eines privat genutzten V. zu einem Kaufpreis in Höhe von 24.890,00 Euro. Den von dem Autohaus zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen waren eine Widerrufsinformation sowie die Darlehensbedingungen der Beklagten beigefügt, wobei wegen der Einzelheiten auf den Darlehensantrag vom 9. März 2011 (Anlage DB1) Bezug genommen wird. Die Beklagte kehrte die Darlehensvaluta an das verkaufende Autohaus aus. Der Kläger erbrachte an dieses vereinbarungsgemäß eine Anzahlung in Höhe von 7.000,00 Euro und leistete in der Folge die vereinbarten Zins- und Tilgungsraten an die Beklagte. Nach vollständiger Erfüllung des Darlehensvertrages übertrug die Beklagte im April 2014 das Sicherungseigentum an dem zu finanzierenden Fahrzeug auf den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2021 widerrief dieser seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Er vertritt die Ansicht, dass er bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht ordnungsgemäß über sämtliche Pflichtangaben unterrichtet und die Widerrufsfrist damit nicht in Lauf gesetzt worden sei.
Die Beklagte meint demgegenüber, dass der Kläger im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Die Klage sei jedenfalls unschlüssig, weil der vorleistungspflichtige Kläger seinen Obliegenheiten zur Unterbreitung eines den Annahmeverzug begründenden Angebotes am Sitz der Beklagten zu angemessenen, die Wertverluste durch Fahrzeugnutzung berücksichtigenden Konditionen nicht nachgekommen sei. Ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers sei jedenfalls verwirkt bzw. dessen Ausübung rechtsmissbräuchlich.
Mit Verfügung vom 15. September 2021 hat die Berichterstatterin die Parteien auf die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a. - aufmerksam gemacht und ihnen insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Die Beklagte hat daraufhin an dem Einwand der Verwirkung festgehalten.
Mit Verfügung vom 1. November 2021, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Einschätzung der Kammer fraglich sein dürfte, ob nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 - verbundene Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20 - die Annahme ausgeschlossen sei, dass die Ausübung des Widerrufsrechts eines Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 (hier: § 495 Abs. 1, § 355 BGB) durch innerstaatliches Recht (hier: § 242 BGB) beschränkt werden könne, welches - aufgrund einer umfassenden Bewertung der Umstände des Einzelfalles festgestelltes - rechtsmissbräuchliches Verhalten einer Partei (so auch eine unzulässige Rechtsausübung wegen illoyal verspäteter Geltendmachung eines Rechts) verbiete. Unter Hinweis auf den (Vorlage-) Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 -, juris, wurde den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Frage eingeräumt, ob der Rechtsstreit im Hinblick auf diesen Beschluss gemäß § 148 ZPO [sic!] bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ausgesetzt werden solle.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 -, juris, enthält unter anderem folgende Vorlagefragen:
a) Ist Art. 14 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht mehr besteht, wenn der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist?
b) Falls Frage a) verneint wird:
Steht Art. 14 der Richtlinie 2008/48 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaates entgegen, die dazu führt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist?
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Rechtsfrage bereits beantwortet sei.
Mit Verfügung vom 9. Dezember 2021, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat die Berichterstatterin erneut in Aussicht gestellt, dass die Kammer die Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf den genannten Vorlage-Beschluss de...