Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebühren für nichtanhängige und mitverglichene Ansprüche

 

Normenkette

BRAGO § 11 Abs. 1, § 23 Abs. 1, § 128 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Osterode (Aktenzeichen 1 F 193/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt B., wird der Beschluss des AG – FamG – Osterode am Harz vom 24.10.2001 abgeändert:

Die aus der Landeskasse dem Rechtsanwalt B. aus Br. zu zahlende Vergütung wird auf insgesamt 2.368,72 DM festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde des Rechtsanwalts B. gegen den Beschluss des AG – FamG – Osterode am Harz vom 24.10.2001, mit dem die ihm aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung gem. § 128 Abs. 1 BRAGO auf 2.195,30 DM festgesetzt worden ist und mit dem die beantragte Festsetzung weiterer 173,42 DM abgelehnt worden ist, ist begründet.

Der Rechtsanwalt kann im Festsetzungsverfahren nach §§ 123 ff. BRAGO im Berufungsverfahren eine 19,5/10 Gebühr aus dem Wert der nicht anhängigen und mitverglichenen Ansprüche verlangen.

Die Frage, ob bei einem in der Berufungsinstanz abgeschlossenen Prozessvergleich, soweit dadurch nicht anhängige Ansprüche mit verglichen worden sind, nur eine 15/10 Vergleichsgebühr oder eine 19,5/10 Vergleichsgebühr zur Entstehung gelangt, ist streitig (für eine 15/10 Vergleichsgebühr = OLG München, JurBüro 1999, 302; OLG Stuttgart, JurBüro 1998, 585; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rz. 53; für eine 19,5/10 Gebühr: OLG Köln, Jurbüro 2000, 246 f.; OLG Nürnberg, JurBüro 1999, 586 f.; KG v. 14.10.1997 – 1 W 3875/97, MDR 1998, 681; OLG Hamm, JurBüro 1998, 585; OLG Koblenz, JurBüro 2000, 21 f.; OLG Nürnberg, JurBüro 1999, 586 f.; SchlHOLG, JurBüro 1999, 586; Norbert Schneider, MDR 1998, 1997 ff.).

Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO noch der des § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO enthält eine ausdrückliche Regelung für diese Fallkonstellation.

Die Tatsache, dass nach der gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO für die Berechnung der 15/10 Gebühr auf die volle Gebühr des § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 BRAGO als Ausgangsgebühr abzustellen ist, rechtfertigt die Annahme, dass die volle Gebühr im vorliegenden Fall in Anwendung des § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO zu ermitteln ist. Danach erhöhen sich die Beträge der aus § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 ersichtlichen Gebühren im zweiten Rechtszug um 3/10; eine volle Gebühr im Berufungsverfahren entspricht somit einer 13/10 Gebühr und die 15/10 Gebühr aus § 23 Abs. 1 S. 1 erhöht sich folglich auf 19,5/10, wenn und soweit in einem vor dem Berufungsgericht abgeschlossenen Prozessvergleich nicht anhängige Ansprüche mitverglichen werden (vgl. OLG Köln, JurBüro 2000, 246).

Dabei geht der Senat davon aus, dass mit der bloßen Erweiterung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Gesamtvergleich kein gerichtliches Verfahren i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO anhängig geworden ist, mit der Folge, dass – nur – eine 10/10 Vergleichsgebühr entsteht (so auch OLG Koblenz v. 9.2.1998 – 11 WF 124/98, MDR 1998, 801; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rz. 40b m.w.N. auch zur Gegenmeinung). Die Tätigkeit des Gerichts bei einem Vergleichsschluss nach Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsmehrwert beschränkt sich in der Regel auf ein bloßes Protokollieren, denn die Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO wird durch den angekündigten Vergleichsabschluss indiziert. Im Übrigen ist es i.S. der Entlastung der Gerichte, wenn auch nicht anhängige Streitfragen anlässlich eines Vergleiches mitgeregelt werden (vgl. insoweit auch: Zöller/Phillippi, ZPO, 22. Aufl., § 118 Rz. 8).

Auch das Argument der Gegenansicht, dass die Vorschrift des § 11 Abs. 1 nur anhängige Ansprüche betreffe und ein nicht anhängiger Streitgegenstand sich auch nicht im Berufungsverfahren befinden könne, ist nach der Gesetzessystematik nicht überzeugend. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO stellt nach ihrem Wortlaut nicht darauf ab, ob über den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ein Rechtsmittelverfahren anhängig ist. Die Anwendung dieser Bestimmung hängt vielmehr allein davon ab, in welcher Instanz der Anwalt die gebührenauslösende Tätigkeit entfaltet hat, was somit Gegenstand des ihm erteilten Auftrages war. Erhält ein für das Berufungsverfahren bestellter Prozessbevollmächtigter den Auftrag, nicht anhängige Gegenstände mitzuvergleichen, so handelt es sich insgesamt um eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit. Dies folgt insb. aus § 32 Abs. 2 BRAGO, wonach der Anwalt für die (Mit-) Protokollierung der nicht anhängigen Ansprüche eine zusätzliche halbe Prozessgebühr aus deren Wert erhält. Wären jedoch nicht anhängige Ansprüche nicht Gegenstand des Berufungsverfahren i.S.d. Gebührenrechts, dann könnten sie dort nicht die Protokollierungsgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO auslösen. Darüber hinaus ist es allgemein anerkannt, dass die halbe Prozessgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO um 3/10 zu er...

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