Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Werden dem Nachlass Vermögenswerte erst durch eine gesetzliche Neuregelung zugerechnet, so beginnt die Verjährung der Pflichtteilsansprüche erst im Zeitpunkt der Entstehung der neuen Ansprüche, d.h. im Zeitpunkt des Inkrafttretens des entsprechenden Gesetzes.
Normenkette
BGB § 2332 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 04.07.1994; Aktenzeichen 5 O 15/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 04. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 2.700,00 DM. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Die Antragstellerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Stufenklage, mit der sie im Ergebnis von ihren beiden Halbschwestern die Ergänzung einer bereits erhaltenen Pflichtteilszahlung erreichen möchte. Das Landgericht hat den Antrag am 04.07.1994 zurückgewiesen mit der Begründung, der Auskunftsanspruch –Antrag 1. der angekündigten Klage– sei verjährt. Die von der Antragstellerin gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Beschluß des Landgerichts erweist sich als zutreffend.
2. Unproblematisch ist zunächst die Annahme des Landgerichts, der Antragstellerin stehe grundsätzlich ein Auskunftsanspruch gegen beide Antragsgegnerinnen als den vom Vater eingesetzten Erbinnen gemäß § 2314 BGB zu. Der Auskunftsanspruch und ein möglicherweise bestehender ergänzender Pflichtteilsanspruch richtet sich auch bzgl. der vorliegend interessierenden Grundstücke in Magdeburg nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und nicht nach dem Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR. Die Antragstellerin beruft sich insoweit offenbar auf Ansprüche gemäß §§ 3, 9 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29.09.1990. Derartige Ansprüche wären erst aufgrund dieses Gesetzes in der Person der Berechtigten entstanden, also der zu Erben eingesetzten Antragsgegnerinnen. Soweit der Auskunfts- und ein möglicher ergänzender Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin betroffen ist, ist keine Nachlaßspaltung gemäß § 25 Abs. 2 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR eingetreten, welches vorsah, daß sich die erbrechtlichen Verhältnisse in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden in der DDR stets nach dem dort geltenden Recht bestimmten (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 53. Aufl., EGBGB, Art. 235, § 1, Rdnr. 7).
3. Die Antragstellerin hat bereits einige Zeit nach dem am 10.10.1982 erfolgten Erbfall eine erhebliche Zahlung als Pflichtteil aufgrund der damals erfolgten Berechnung des Nachlaßwerts erhalten. Diese Zahlung steht ihrem nunmehr verfolgten Auskunftsanspruch nicht entgegen. Zwar wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundegelegt (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB). Ansprüche der Erben nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen gehören nicht zum „Bestand … des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls”. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber die Sondervorschrift des § 2313 Abs. 2 Satz 1 BGB über den maßgeblichen Zeitpunkt der Berechnung analog auch dann anzuwenden, wenn der Erbe aufgrund des Vermögensgesetzes ein Grundstück des Erblassers in der ehemaligen DDR entweder zurückerhält oder dafür eine Entschädigung bekommt (BGH NJW 1993, 2176, 2177). Aufgrund der gesetzlichen Regelung bleiben bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses Rechte, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind, zunächst außer Ansatz; erst wenn die Bedingung eintritt, hat die der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen. Begründet hat der BGH die Rechtsanalogie mit der Erwägung, es sei nicht einzusehen, weshalb dem Erben ein Vorteil daraus erwachsen sollte, daß Ausgleichsleistungen nicht schon in der Person des Erblassers, sondern erst in der Person des Erben begründet worden sind (vgl. bereits BGH FamRZ 1977, 128, 129).
4. Der der Klägerin zustehende Auskunftsanspruch ist nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage allerdings verjährt.
Diese Rechtsfolge ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 2332 Abs. 1 BGB. Dieser Vorschrift zufolge verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß ein etwaiger Anspruch der Antragsgegnerinnen betreffend die beiden Grundstücke in Magdeburg erst durch das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29.09.1990 entstanden ist. Für den Fall des Lastenausgleichsverfahrens hat der Bundesgerichtshof entschieden, die besondere Rechtslage, nach der die nach dem Erbfall gesetzlich begründeten Lastenausgleichsansprüche rückwirkend dem Nachlaßvermögen zugerechnet werden, erforderten, daß die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs in Abweichung von § 2332 Abs. 1 BGB nicht vor dem Zeitpunkt b...