Entscheidungsstichwort (Thema)
Führungsaufsicht: Zur Erteilung von Weisungen bei Wohnsitz im Ausland und zur Kostentragungspflicht bei Abstinenzkontrollen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wohnsitznahme des Verurteilten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist keine Voraussetzung für das Eintreten der Führungsaufsicht gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB nach Aussetzung der Maßregel zur Bewährung. Folglich ist ein Wohnsitz in Deutschland auch nicht Voraussetzung für die Erteilung von Weisungen im Rahmen der von Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht.
2. Bei der Entscheidung, ob bzw. in welcher Form in einem solchen Fall eine Führungsaufsichtsweisung erteilt wird, ist das Ermessen der Strafvollstreckungskammer wegen der Schwierigkeit, die Einhaltung der Weisung zu überwachen, keineswegs gleichsam auf Null reduziert. Folglich ist bei Auslandswohnsitz des unter Führungsaufsicht Stehenden nicht schon aus diesem Grund von einer Weisungserteilung abzusehen, wenn die Weisung an sich verhältnismäßig, zumutbar und geeignet ist, den Verurteilten von erneuter Strafbarkeit nachhaltig abzuhalten.
3. Die Strafvollstreckungskammer hat eine ordnungsgemäße Ermessensausübung bei der Auswahl ihrer Weisungen vorzunehmen und darzulegen; fehlt sie, kann das Beschwerdegericht die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht überprüfen.
4. Eine Abstinenz- und Kontrollweisung darf gemäß § 68b Abs.1 Nr 10 StGB nur dann erteilt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Grund für die Annahme besteht, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird. Für eine rechtsstaatliche einwandfreie Erteilung dieser Weisung muss die Strafvollstreckungskammer die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen feststelle und in der Begründung ihres Beschlusses mitteilen.
5. Bei den Kosten für im Rahmen der Führungsaufsicht angeordneten Abstinenzkontrollen handelt es sich nicht um Vollstreckungs- sondern um Verfahrenskosten i.S.v. §§ 464, 465 StPO. Über die Kostentragung betreffend Abstinenzkontrollen ist im Wege einer Annexentscheidung zur Weisungsanordnung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB zu entscheiden.
Verfahrensgang
LG Göttingen (Entscheidung vom 16.07.2013) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 16.07.2013 insoweit aufgehoben, als
der Verurteilte unter Ziffer 1 angewiesen wurde, sich vierteljährlich bei der Psychiatrischen Institutsambulanz Forensik des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen in Moringen, Außenstelle Hannover, zur Suchtmittelkontrolle vorzustellen (§ 68 b Abs. 1 Nr. 11 StGB), wobei die Kontrollen je nach Entscheidung des zuständigen Mitarbeiters oder Arztes entweder in Form von Atemalkohol oder Urinkontrollen (ETG-Wert) oder in Form von Blutkontrollen (CDT-Wert) zu erfolgen haben,
der Verurteilte unter Ziffer 3 des genannten Beschlusses in Verbindung mit Ziffer 4 des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 18.06.2012 (50 StVK 155/12) angewiesen wurde, zu der Bewährungshelferin S L, nach deren näherer Weisung halbjährlich persönlich Kontakt zu halten und
dem Verurteilten unter Ziffer 3 des genannten Beschlusses in Verbindung mit Ziffer 5 d) des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 18.06.2012 (50 StVK 155/12) die Weisung erteilt wurde, keinen Alkohol zu sich zu nehmen.
Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 05. März 2008 wurde gegen den Verurteilten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten verhängt; die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet. Zugleich wurde bestimmt, dass zwei Jahre vier Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollstrecken sein sollten.
Die Unterbringung wurde seit dem 27. Juli 2009 vollzogen, nachdem sich der Verurteilte zuvor schon seit dem 28. März 2007 in Untersuchungshaft und seit dem 05. März 2008 im Teilvorwegvollzug der Strafe befunden hatte.
Mit Beschluss vom 18. Juni 2012 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 05. März 2008 zur Bewährung ausgesetzt. Es wurde festgestellt, dass der Verurteilte unter Führungsaufsicht steht; die Dauer der Führungs- und Bewährungsaufsicht wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Die Führungsaufsicht wurde durch verschiedene Weisungen ausgestaltet. Der Beschluss ist seit dem 03.07....