Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bemessung der Tagessatzhöhe bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ermittlung des Nettoeinkommens i. S. d. § 40 Abs 2 S 2 StGB sind bei Leistungsempfängern nach dem SGB II neben dem Regelbedarf (§ 20 SGB II in Verbindung mit den Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Höhe der Regelbedarfe) auch Leistungen gemäß § 22 SGB II (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) einzubeziehen.
2. Bei der Bemessung der Geldstrafe und der Anordnung von Zahlungserleichterungen ist darauf zu achten, dass dem Leistungsempfänger monatlich 70 % des Regelbedarfs als unerlässliches Existenzminimum verbleiben.
Normenkette
StGB § 40 Abs. 2 S. 2; SGB II §§ 20, 22, 43 Abs. 1-2, 4 S. 2
Verfahrensgang
AG Göttingen (Entscheidung vom 16.12.2013) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 16. Dezember 2013 wird verworfen.
Dem Angeklagten wird jedoch gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 40,- € zu zahlen. Die erste Rate ist am 4. Juni 2014 zu entrichten. Die Folgeraten sind jeweils am 3. Werktag des Monats fällig.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 16. Dezember 2013 wegen Körperverletzung mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,- € belegt worden. In den Urteilsgründen ist zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten festgestellt, dass er "Hartz IV" beziehe und den Regelbedarf in Höhe von 345,- € erhalte. Ab Januar 2014 werde der Regelbedarf auf 353,- € erhöht. Zudem übernehme der Sozialleistungsträger sowohl die Miete als auch die Nebenkosten. Ohne diese staatlichen Zuwendungen müsste der Angeklagte - so die Urteilsgründe - "weit mehr als 600,- € erwirtschaften, um mit einem Hartz IV Empfänger gleichgestellt zu sein". Die festgesetzte Tagessatzhöhe von 15,- € gehe dennoch lediglich von einem Nettoeinkommen in Höhe von 450,- € aus (UA S. 3).
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit einem am 23. Dezember 2013 eingegangenen Schriftsatz Rechtsmittel eingelegt. Nach Zustellung des Urteils am 23. Januar 2014 hat er das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014 als Revision bezeichnet, diese zugleich auf die Tagessatzhöhe beschränkt und mit der Sachrüge begründet. Personen, die nahe am Existenzminimum lebten, seien von dem am Nettoeinkommensprinzip ausgelegten Geldstrafensystem besonders hart betroffen. Weil der aktuell geltende Regelbedarf nur das "absolute Existenzminimum" sichere und mit dem zum Lebensbedarf Unerlässlichen gleichzusetzen sei, werde teilweise die Auffassung vertreten, dass der Tagessatz in solchen Fällen nur mit einem Euro festzusetzen sei. Dies werde allerdings dem Ernst und der Bedeutung der Geldstrafe nicht gerecht, so dass 10,- € angemessen, aber auch ausreichend seien. Der Angeklagte beantragt deshalb, das angefochtene Urteil "dahingehend zu ändern, dass die Höhe des Tagessatzes auf 10,- € festgesetzt" werde. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel mit der Maßgabe gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen, dass dem Angeklagten gestattet wird, die Geldstrafe in monatlichen Raten von je 40,- € zu zahlen.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist als Sprungrevision (§ 335 StPO) statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist - mit Ausnahme der tenorierten Zahlungserleichterung - gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels ist vom Senat nur die Frage der Tagessatzhöhe zu prüfen (§ 352 StPO). Die Bemessung des Tagessatzes ist ein abgrenzbarer Beschwerdepunkt, der in der Regel - so auch hier - losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden kann (grundlegend: BGH, Beschluss vom 3.11.1976, 1 StR 319/76, juris, Rn. 2, vgl. auch Fischer, StGB, 61. Aufl., § 40 Rn. 26).
Die vom Amtsgericht mit 15,- € festgesetzte Tagessatzhöhe ist nicht zu beanstanden, weil das Gericht rechtsfehlerfrei vom Nettoeinkommen des Angeklagten ausgegangen ist (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB) und dieses zumindest mit 450,- € ansetzen durfte. In dem genannten Betrag von 450,- € sind zunächst die im angefochtenen Urteil enthaltenen Leistungen nach Hartz IV (= SGB II) in Höhe von 345,- € im Jahr 2013 (ab Januar 2014: 353,- €) enthalten. Bei diesen Beträgen handelt es sich um die Zahlungen, die an einen Sozialleistungsempfänger zu entrichten sind, der mit einem weiteren, volljährigen Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (vgl. § 20 Abs. 4, Abs. 5 S. 1, S. 3 SGB II in Verbindung mit den Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Höhe der Regelbedarfe [RBBek] vom 18.10.2012 und vom 16.10.2013).
Außerdem ist es anerkannt, dass bei der Ermittlung des Nettoeinkommens weitere Sachbezüge zu berücksichtigen sind (OLG Köln, Beschluss...