Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugkaskoversicherung: Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den berechtigen Fahrer
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruchsübergang in § 86 Abs. 1 VVG betrifft keine Mitversicherten, sondern Dritte.
2. Der berechtigte Fahrzeugführer ist in der Kaskoversicherung mangels eines versicherten eigenen Sachinteresses nicht mitversicherte Person, sondern Dritter (Anschluss an BGH, Urteil vom 30.03.1965 - IV ZR 248/63 -).
3. Der Regressverzicht in A.2.15 AKB 2008 dient der Besserstellung des berechtigten Fahrzeugführers gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 86 VVG, indem er die dem Fahrzeugführer aus der Kfz-Haftpflichtversicherung zustehende Privilegierung auf die Kaskoversicherung ausweitet.
4. Ein unerlaubtes Entfernen des berechtigten Fahrzeugführers vom Unfallort begründet nur dann eine Ausnahme vom Regressverzicht, wenn die Versicherungsbedingungen eine entsprechende Ausnahmeregelung beinhalten.
Normenkette
BGB § 823; VVG § 86 Abs. 1; AKB 2008 Nr. A. 2.15; StGB § 142
Verfahrensgang
LG Göttingen (Entscheidung vom 25.01.2017; Aktenzeichen 5 O 97/16) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 25.01.2017 durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
1. Die Klägerin nimmt im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft anstelle der K....AG (nachfolgend: K. AG) den Beklagten auf Regress in Anspruch und ist diesbezüglich prozessführungsbefugt.
Gewillkürte Prozessstandschaft ist die gerichtliche Geltendmachung fremder Rechte - in der Regel schuld- und sachenrechtlicher Ansprüche - im eigenen Namen aufgrund der Ermächtigung des Rechtsinhabers (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. A., vor § 50 Rn. 42). Außer der Ermächtigung durch den Rechtsinhaber muss bei der gewillkürten Prozessstandschaft beim Dritten (Prozessstandschafter) ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessführung bestehen. Zudem darf der Gegner durch die Prozessführung des rechtsfremden Dritten nicht unzumutbar in seinen schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt sein (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn. 44). Das schutzwürdige Eigeninteresse des Prozessstandschafters kann auch in einem wirtschaftlichen Interesse bestehen. Bejaht wurde ein solches von der Rechtsprechung bei der Prozessführung des Alleingesellschafters als Prozessstandschafter der GmbH, bei der Konzernmutter für die von ihr voll beherrschte Tochter-GmbH (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.1994 - I ZR 99/92 -, juris Rn. 43 f.), bei einem eigenen Provisionsinteresse des Prozessstandschafters (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1987 - VII ZR 374/86 -, juris Rn. 12) und bei einer eigenen unternehmerischen Verbindung zwischen Prozessstandschafter und Rechtsinhaber (vgl. BGH, Urteil vom 31.07.2008 - I ZR 21/06 -, juris Rn. 54 f.).
Die K. AG hat die Klägerin durch Vollmacht vom 02.05.2011 unter anderem bevollmächtigt, im eigenen Namen Forderungen, darunter Regressforderungen aus Schadensfällen, einzuziehen und diese gerichtlich geltend zu machen. Zudem hat sie der Klägerin die im vorliegenden Fall für die Prozessführung erforderlichen Vertragsunterlagen überlassen, so dass sie offenkundig damit einverstanden ist, dass die Klägerin diesen Prozess führt. Das schutzwürdige rechtliche Interesse der Klägerin an der Prozessführung beruht darauf, dass sowohl sie als auch die K. AG Unternehmen der XY Versicherungsgruppe sind (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 15.08.2013 - 8 U 57/12 und die Kfz-Versicherung Verbraucherinformation der K. AG, Stand: 01.07.2011, Anlage K 7a) und die Klägerin gegen Provision aufgrund der Vollmacht tätig wird. Berechtigte Belange des Beklagten werden dadurch nicht beeinträchtigt. Er wird durch die Rechtsverfolgung der Klägerin anstelle der K. AG weder in prozessualer noch in sonstiger Weise schlechter gestellt.
2. Indes kann die Klägerin vorliegend keinen Regressanspruch der K. AG gegen den Beklagten auf Zahlung von 10.618,34 EUR erfolgreich geltend machen.
a) Zwar hat der Beklagte am 09.06.2015 das bei der K. AG kaskoversicherte Leasingfahrzeug, einen LKW Iveco mit dem amtlichen Kennzeichen ...., beschädigt, indem er es gegen einen Poller gelenkt hat. Hierbei handelte es sich auch um einen Unfall i. S. v. A.2.3.2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (nachfolgend: AKB; Stand Juli 2011) der K. AG, so dass diese grundsätzlich einstandspflichtig war.
Aufgrund dieses Unfalls hat die K. AG eine Reparaturrechnung der P. GmbH in Höhe der Klageforderung beglichen mit der Folge, dass etwaige Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers Herrn R. bzw. der U. als Leasinggeberin und Fahrzeugeigentümerin gegen einen Dritten nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die K. AG übergegangen sein könnten. Gemäß A.2.4 AKB gilt der Schutz der Kaskoversicherung sowohl für den Versicherungsnehmer als auch, wenn der Vertrag auch im Interesse einer weiteren Per...