Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfallsentscheidung in Bezug auf ein Frachtentgelt, welches der Betroffene für einen teilweise auch auf ausländischen Straßen durchgeführten, gegen inländische Bußvorschriften verstoßenen Transport erhalten hat
Leitsatz (amtlich)
1. Bei internationalen Transporten darf nur der auf den inländischen Streckenanteil entfallende Frachtlohnanteil bei der Bestimmung des Verfallsbetrages im Rahmen von § 29a Abs. 1 und 2 OWiG herangezogen werden.
2. Dieser Frachtlohnanteil lässt sich ermitteln, indem man die (geplante) Inlandsstrecke durch die (geplante) Gesamtfahrstrecke dividiert und das Ergebnis mit dem Gesamtfrachtlohn multipliziert.
Normenkette
OWiG § 29a Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Braunschweig (Entscheidung vom 17.07.2015; Aktenzeichen 10 OWi 902 Js 59751/14) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Verfallsbeteiligten wird das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 17. Juli 2015 dahin abgeändert, dass der Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 500,00 Euro angeordnet wird.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verfallsbeteiligten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Verfallsbeteiligte (nachfolgend: der Betroffene) ist Transportunternehmer und führte am 11. März 2014 einen Transport von Betheny (Frankreich) nach Moskau (Russland) durch. Hierfür wurde eine in Polen zugelassene Fahrzeugkombination eingesetzt, die aufgrund der Beschaffenheit der Zugmaschine und des damit gekoppelten Sattelaufliegers zwangsläufig die gemäß § 32 Abs. 2 StVZO höchstzulässige Fahrzeughöhe von 4,00 m überschreiten musste. Mit dieser Fahrzeugkombination befuhr der von dem Betroffenen für den Transport eingesetzte Fahrer die Bundesautobahn 2 in Fahrtrichtung Berlin. Bei einer bei Kilometer 180,6 in der Gemarkung Wendeburg vom Bundesamt für Güterverkehr durchgeführten Höhenkontrolle wurde eine Überschreitung der höchstzulässigen Fahrzeughöhe um 4 cm festgestellt. Für den Transport hat der Betroffene ein Frachtentgelt in Höhe von insgesamt 3.100,00 Euro erhalten, wovon das Amtsgericht 1.800,00 Euro für verfallen erklärt hat.
Das Amtsgericht hat entschieden, dass auch der Vermögensvorteil abgeschöpft werden könne, der auf die Fahrt über Straßen im Ausland zurückgehe. Der Betroffene hält dies für rechtlich unzutreffend und verfolgt mit seiner Rechtsbeschwerde daher das Ziel, die Festsetzung eines geringeren Verfallsbetrags zu erreichen. Hierzu macht er geltend, dass es sich um einen internationalen Transport gehandelt habe, der nur zu etwas mehr als einem Drittel im Inland erfolgt sei. Überhaupt nur das auf diesen Streckenteil entfallende Transportentgelt - insoweit hat der Betroffene einen Betrag von 814,71 € errechnet - könne für verfallen erklärt werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich demgegenüber der Rechtsauffassung des Amtsgerichts angeschlossen und hat Verwerfung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Um die aufgeworfene Rechtsfrage einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen, hat der Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin Erfolg. Das Amtsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Höhe des für verfallen erklärten Betrages rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass - obwohl nur 713 km der 2707 km Gesamtlänge (nach google maps) des hier in Rede stehenden Transports von Betheny (Frankreich) nach Moskau (Russland) auf inländische Straßen entfielen - grundsätzlich das gesamte Frachtentgelt in Höhe von 3.100,00 Euro, welches der Betroffene für die Fahrt erhalten hat, gemäß § 29 a OWiG für verfallen erklärt werden könne.
§ 29 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 OWiG stellt nach der Änderung des Wortlautes dieser Vorschrift durch das 5. AWStGBÄndG (BGBl. 1992 I, S. 372) auf das durch oder für mit Geldbuße bewehrten Handlung (Tat) erlangte "Etwas" ab und legt damit für die Bestimmung der Höhe des Erlangten das sog. Bruttoprinzip zugrunde (vgl. OLG Celle wistra 2011, 476; BayObLG wistra 2000, 395, 397; BayObLG NStZ-RR 1997, 339, 340; OLG Koblenz ZfSch 2007, 108 ff.; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2010, 256 f.; Gürtler in: Göhler, OWiG, 15. Aufl., 2009, § 29a Rn. 6). Unter die gesetzliche Formulierung "für eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder aus ihr etwas erlangt" lassen sich sämtliche wirtschaftlichen Werte fassen, die in irgendeiner Phase des Tatablaufs durch den Täter oder den Drittbegünstigten erlangt wurden. All das, was der Täter oder der von ihm vertretene Dritter für die mit Geldbuße bedrohte Handlung oder aus ihr erlangt hat, soll ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abgeschöpft werden können (vgl. OLG Celle aaO.).
Allerdings setzt die Verfallanordnung nach § 29 a OWiG - wie die strafrechtliche Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 S. 1 StGB - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der mit Geldbuße bewehrten Handlung und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus (vgl. Gürtner, in: Göhler, OWiG, § 29 a Rn. 10 m.w.N.)...