Leitsatz (amtlich)
Werden mehrere Klageverfahren aus Gründen der tatsächlichen Vereinfachung nur zu einem Erörterungstermin anberaumt und dort erörtert, ohne dass eine förmliche Verfahrensbindung gem. § 147 ZPO durch ausdrücklichen Verbindungsbeschluss erfolgt, kann eine Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der selbständigen Klageverfahren zu einem Gesamtgegenstandswert erfolgen.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 18.01.2006) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des LG Braunschweig vom 18.1.2006 abgeändert und der Streitwert für das gesamte Verfahren auf 57.292,86 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit der Klage im Verfahren ... hat die Klägerin die Zahlung von 312.498,79 EUR und im Verfahren ... die Zahlung von weiteren 57.292,86 EUR erstrebt. Im gemeinsam anberaumten Hauptverhandlungstermin am 18.1.2006 entschied der Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen beim LG Braunschweig durch Beschluss, dass die Sachen ... und ... gemeinsam verhandelt werden sollen. Entsprechend diesem Beschluss wurde die Sach- und Rechtslage in beiden Verfahren gemeinsam erörtert. Anschließend wurde der Rechtsstreit in beiden Verfahren durch den Abschluss eines Vergleichs, der beide Aktenzeichen trägt, beigelegt.
Nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten setzte das LG Braunschweig im Hauptverhandlungstermin vom 18.1.2006 zugleich den Streitwert nach Anhörung wie folgt fest:
"Nach Anhörung wird der Wert für den Rechtsstreit im Verfahren... ... auf 312.498,79 EUR und im Rechtsstreit ... auf 57.292,86 EUR festgesetzt, für die Verhandlung am 18.1.2006 jedoch auf den zusammengerechneten Betrag beider Verfahren und für den Vergleich in beiden Sachen ebenfalls auf den zusammengerechneten Betrag aus diesen beiden Einzelbeträgen."
Gegen diesen Streitwertfestsetzungsbeschluss richtet sich die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 26.1.2006 mit dem Ziel einer Streitwertfestsetzung, aufgrund derer es ihnen möglich wäre höhere Gebühren von der Mandantin zu verlangen. Sie vertreten die Auffassung, dass eine Verbindung der Verfahren nach § 147 ZPO nicht erfolgt und deshalb eine teilweise Addition der Streitwerte nicht möglich sei.
Das LG hat mit Beschl. v. 6.2.2006 der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen, weil die Beschwerdeführer im Verhandlungstermin zur beabsichtigten Streitwertfestsetzung keine Stellungnahme abgegeben hätten, und sie zur weiteren Entscheidung dem OLG Braunschweig vorgelegt.
II.1.a) Die vom Beklagtenvertreter im eigenen Namen erhobene Beschwerde ist gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG statthaft.
b) Sie ist auch sonst zulässig. Insbesondere scheitert die Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde nicht an einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, weil die Prozessbevollmächtigten der Beklagten der erfolgten Festsetzung des Streitwerts im Rahmen der der angefochtenen Entscheidung vorausgegangenen Anhörung nicht widersprochen haben. Dem steht bereits entgegen, dass die Streitwertfestsetzung nicht zur Disposition der Parteien bzw. ihrer Vertreter steht, sondern von Amts wegen objektiv vom Gericht anhand des Sach- und Streitstandes zu bestimmen ist (OLG Hamm v. 5.11.1993 - 11 WF 440/93, FamRZ 1997, 691 ff.). Selbst einem Einverständnis des Prozessbevollmächtigten mit einer konkret beabsichtigen Streitwertfestsetzung kommt deshalb auch weder die Bedeutung eines Rechtsmittelverzichts zu noch entfällt dadurch die Beschwer (OLG Köln v. 18.11.1999 - 12 W 56/99, OLGReport Köln 2000, 119; sowie OLG Celle NdsRpfl. 2005, 324). Schließlich kann ein Rechtsmittelverzicht auch nicht vor Erlass der Entscheidung wirksam erklärt werden.
c) Das Rechtsschutzinteresse der Prozessbevollmächtigten der Beklagten an der Durchführung der Streitwertbeschwerde entfällt auch nicht deshalb, weil sie sich möglicherweise ggü. ihrer Mandantin schadensersatzpflichtig gemacht haben, indem sie es unterlassen haben, im Erörterungstermin vor dem LG Braunschweig am 18.1.2006 darauf hinzuwirken, dass die beiden Verfahren.. ... und ... förmlich gem. § 147 ZPO miteinander verbunden werden. Die Frage, ob das Für und Wider des Vorgehens unter Einbeziehung der Kostenfolge vorliegend eine Verfahrensverbindung sinnvoll erscheinen lässt, die Beschwerdeführer mit der Verpflichtung, ihre Auftraggeberin vor unnötigen Verfahrenskosten zu schützen, mithin verpflichtet waren, eine Verbindung der Verfahren herbeizuführen, ist nicht im Rahmen der Streitwertfestsetzung zu klären. Die Streitwertfestsetzung hat objektiv zu erfolgen, zumal nicht nur der Gebührenanspruch eines Prozessbevollmächtigten betroffen ist. Zudem ist § 11 Abs. 5 RVG zu entnehmen, dass ein derartiger Einwand nicht im Kostenverfahren sondern im normalen Klageverfahren zu prüfen ist. Entsprechend diesem Rechtsgedanken kann ein solcher Einwand auch nicht im Streitwertfeststellungsverfahren berücksichtigt werden.
2. Das eingelegte Rechtsmittel ...