Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages - entgegenstehende Rechtskraft und Bindungswirkung eines die negative Feststellungsklage abweisenden Urteils
Leitsatz (amtlich)
1. Widerruft der Verbraucher einen mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrag und erhebt er Klage auf Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen der Bank ihm gegenüber infolge der Widerrufserklärung, so entfaltet das rechtskräftige Urteil des insoweit entscheidenden Gerichts auch Bindungswirkung hinsichtlich der auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsraten gerichteten Leistungsklage vor einem anderen Gericht.
2. Ist der Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses identisch mit dem Streitgegenstand des nachfolgenden Prozesses, so führt die materielle Rechtskraft bereits zur Unzulässigkeit der nachfolgenden Klage. Ist der Streitgegenstand hingegen nicht identisch, so ist die materielle Rechtskraft jedoch insoweit zu beachten, als im Vorprozess über eine Rechtsfolge rechtskräftig entschieden wurde, die für die Entscheidung im nachfolgenden Prozess vorgreiflich ist. Ist dies der Fall, so hat das nachfolgende Gericht den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung ohne Sachprüfung von Amts wegen zugrunde zu legen.
3. Ein Urteil, das einer negativen Feststellungsklage aus sachlichen Gründen nicht stattgibt, hat grundsätzlich dieselbe Bedeutung wie ein Urteil, das das logische Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellen würde (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1986 - VII ZR 286/85 -, Rn. 10, juris).
4. Die auf sachliche Gründe gestützte Abweisung der Klage auf Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen der Bank gegenüber dem Verbraucher infolge der Widerrufserklärung im Vorprozess hat die Feststellung über das logische Gegenteil zum Gegenstand, dass der Verbraucher trotz seiner Widerrufserklärung den Darlehensvertrag betreffend aus diesem der Bank weiterhin Zins- und Tilgungsraten schuldet. An die rechtskräftige Feststellung ist das über einen Zahlungsantrag des Verbrauchers befindende Gericht gebunden, ohne dass es auf die Richtigkeit der Erwägungen des Ausgangsgerichts ankommt.
Normenkette
BGB §§ 13, 355, 357-358, 488 Abs. 1 S. 2, §§ 491, 495 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 818; ZPO § 322 Abs. 1, § 524 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 15.07.2021; Aktenzeichen 5 O 1404/20) |
Tenor
... weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. Juli 2021 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des durch den Kläger erklärten Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages.
Der Kläger erwarb einen A. A4 Avant Ambition 3.0 TDI zu einem Kaufpreis von 54.500,- Euro. Er leistete eine Anzahlung von 14.000,- Euro und beantragte zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises unter dem 26. Juni 2015 bei der Beklagten ein Darlehen über einen Nettodarlehensbetrag von 40.500,- Euro zu einem effektiven Jahreszinssatz von 4,99 % (Anlage K 1).
Die Beklagte nahm den Darlehensantrag an und zahlte die Darlehensvaluta an den Verkäufer aus. Das Eigentum an dem finanzierten Fahrzeug wurde zur Sicherheit auf die Beklagte übertragen.
Der Kläger führte das Darlehen vertragsgemäß zurück. Noch vor der vollständigen Rückzahlung erklärte er mit E-Mail vom 17. April 2019 (Anlage K 2) den Widerruf bezüglich des Darlehensvertrags. Die weiteren Raten - mit Ausnahme der Schlussrate - zahlte er an die Beklagte, dies jedoch nur unter Vorbehalt. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht.
Mit der zunächst beim Landgericht A. anhängig gemachten Klage hat der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 32.532,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, nach Rückgabe des Kraftfahrzeugs der Marke A. A4 Avant 3.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer XXX;
2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an die A. GmbH, ... (zur Schaden-Nr.: XXX) weitere 1.804,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. die Beklagte ferner zu verurteilen, an die Klagepartei weitere 150,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
4. festzustellen, dass die Klagepartei infolge und ab ihrer Widerrufserklärung vom 17.04.2019 aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag Nr. XXX weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB schuldet;
5. festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem Tage der letzten mündlichen Verhandlung mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. näher bezeichneten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.
Das Landgericht A. hat sich mit Beschluss vom 8. April 2020 bezüglich der Klageanträge zu 1., 2., 3. und 5. für örtlich unzuständig e...