Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Hilfsaufrechnung mit Wertersatzanspruch nach Widerruf eines Leasingvertrages
Leitsatz (amtlich)
Zwischen der Forderung eines Leasingnehmers auf Rückzahlung geleisteter Leasingraten nach einem Widerruf des Leasingvertrages und der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung des Leasinggebers auf Wertersatz in Höhe der gezahlten Leasingraten besteht wirtschaftliche Identität i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG.
Normenkette
GKG § 45 Abs. 1 S. 3, Abs. 3-4, § 63 Abs. 2, 3 S. 2, § 68 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 20.12.2022; Aktenzeichen 10 O 4066/21 (353)) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägervertreter vom 27.05.2023 gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 20.12.2022 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Die Streitwertbeschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere auch fristgerecht eingelegt worden. Gemäß § 63 Abs. 3 S. 2 GKG beträgt die Beschwerdefrist sechs Monate, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat. Endet das Verfahren - wie hier - durch einen Prozessvergleich, kommt es insoweit auf dessen bestandkräftiges Zustandekommen an. Dabei ist in den Fällen des § 278 Abs. 6 ZPO der Eingang der letzten Annahmeerklärung maßgeblich; dem anschließenden Feststellungsbeschluss kommt insoweit nur eine deklaratorische Bedeutung zu (vgl. nur Jäckel in BeckOK Kostenrecht, 41. Edition, Stand 01.04.2023, § 63 GKG, Rn. 31 a.E.). Die letzte Annahmeerklärung ist hier durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 06.12.2022 erfolgt. Die Sechsmonatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG endete demnach am 06.06.2023. Die Beschwerde ist am 27.05.2023 und damit noch innerhalb dieser Frist bei Gericht eingegangen.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 30.06.2023 (Bl. 267 f. d.A.) verwiesen, als darin ausgeführt wird, es bestehe wirtschaftliche Identität zwischen der Klagforderung und der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung der Beklagten. Ergänzend ist auszuführen:
a) Grundsätzlich ist bei der abschließenden Streitwertfestsetzung gem. §§ 63 Abs. 2, 45 Abs. 3, Abs. 4 GKG der Wert eines im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Gegenanspruches schon dann zum Streitwert der Klagforderung zu addieren, wenn er - wie hier - von einem zwischen den Parteien zustande gekommenen Vergleich mitgeregelt wird. Eine Ausnahme davon ist aber gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG dann zu machen, wenn hilfsweise mit einem mit der Klagforderung wirtschaftlich identischen Anspruch aufgerechnet wird. Ob "derselbe Gegenstand" i.S. dieser Vorschrift gegeben ist, ist dabei - unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand - anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu bestimmen. Hierfür kommt es darauf an, ob zwischen den Ansprüchen eine wirtschaftliche Identität besteht, die dann gegeben ist, wenn sie nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (vgl. nur BGH 11.03.2014 - VIII ZR 261/12, in Juris Rz. 4-6 -; Toussaint / Elzer, Kostenrecht, 5. Aufl., Rz. 13 zu § 45 GKG). Das ist insbesondere der Fall, wenn faktisch ein "Gleichlauf" von Beklagten-Hauptvortrag gegen die Klagforderung und Hilfsaufrechnung vorliegt, so dass wirtschaftlich gesehen die Hilfsaufrechnung und die primäre Verteidigung der Beklagtenseite als eine einheitliche Verteidigung gegen den Klaganspruch anzusehen sind (Toussaint / Elzer, Kostenrecht, 53. Aufl., Rz. 47 zu § 45 GKG m.w.N.).
So liegt etwa keine Streitwerterhöhung vor, wenn der auf Zahlung von Anwaltshonorar in Anspruch genommene Beklagte hilfsweise einen Schadensersatzanspruch auf Freistellung von dieser Honorarforderung wegen Verstoßes gegen § 49b Abs. 5 BRAGO einwendet (BGH JurBüro 2010, 368 - in Juris Rz. 3 -; Hellstab / Schneider / Otto, GKG / FamGKG, Streitwertkommentar alphabetisch, Rz. 11 Abs. 2 s.v. "Aufrechnung"). Denn in einem solchen Falle liegt wirtschaftliche Identität der beiderseitigen Ansprüche vor; es geht letztlich nur darum, ob der Rechtsanwalt seine Vergütung erhält oder nicht.
b) So aber steht die Sache auch im vorliegenden Fall. Denn der von der Beklagten hilfsweise aufgerechnete Anspruch auf Wertersatz sollte sich nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen auf die Höhe der von der Klägerin gezahlten Leasingraten und nicht nur auf einen auf einen laufleistungsbezogenen Anteil des Bruttokaufpreises belaufen, weil in entsprechender Anwendung des § 357a Abs. 2 S. 4 BGB dem Wertersatzanspruch des Unternehmers die im Vertrag bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen sei (Klagerwiderung S. 58 Bl. 98 d.A.). Damit jedoch ist die von der Beklagten zur Hilfsaufrechnung gestellte Forder...