Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für Berufungen in Kartellsachen und Streitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Streitigkeiten über Ansprüche aufgrund von Pflichtverstößen gegen die Gasnetzzugangsverordnung sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne von § 102 Abs. 1 EnWG und § 7 Abs. 1 und 2 JusGerZustV ND.
2. In Niedersachsen ist gemäß § 7 Abs. 2 JusGerZustV ND ausschließlich das Oberlandesgericht Celle für die Entscheidungen über die Berufungen gegen Endurteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig, die in § 7 Abs. 1 JusGerZustV ND genannt sind; ob das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit für den Erlass der angefochtenen Entscheidung irrtümlich festgestellt hat, ist dabei unerheblich.
3. Ein besonderer Einzelfall zweifelhafter Zuständigkeit, der ausnahmsweise eine fristwahrende Berufungseinlegung beim allgemein zuständigen Oberlandesgericht mit der Möglichkeit der Verweisung an das Oberlandesgericht Celle zuließe, liegt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz in Verbindung mit § 7 JusGerZustV ND nicht vor.
Die Entscheidung ist im nachfolgenden Rechtsbeschwerdeverfahren durch Beschluss des BGH vom 17.07.2018 - EnZB 53/17 - aufgehoben worden.
Grund dafür war die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig, wie sie in dem Beschluss vom 23.06.2017 gemäß Ziffer 3 der anliegenden Leitsätze zum Ausdruck kommt.
Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts aber geteilt.
Normenkette
EnWG § 102 Abs. 1; GasNZV § 32 Abs. 3, § 33; GVG § 119; JusGerZustV ND 2015 § 7 Abs. 1-2; ZPO § 519 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Entscheidung vom 16.12.2016; Aktenzeichen 8 O 1138/15) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 16. Dezember 2016 - 8 O 1138/15 - wird als unzulässig verworfen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 3.667.959,58 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen behaupteter schuldhafter Verzögerung bei der Planung, Herstellung und Inbetriebnahme des für die Gaseinspeisung erforderlichen Netzanschlusses der Biogasaufbereitungsanlage der Klägerin an das Netz der Beklagten in Anspruch. Widerklagend macht die Beklagte Netzanschlusskosten geltend.
Die Klägerin produziert Biogas zum Weiterverkauf und betreibt eine Anlage, in der das Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet wird, um es in das regionale Gasverteilernetz im Sinne des § 3 Nr. 7 EnWG der Beklagten einzuspeisen. Die Klägerin behauptet, bei der Herstellung des Anschlusses an das Gasverteilernetz sei es aufgrund zahlreicher schuldhafter Pflichtverletzungen der Beklagten zu erheblichen Verzögerungen gekommen. Dafür macht sie mit ihrer am 1. Juni 2015 eingegangenen Klage im Umfang von insgesamt 2.796.910,89 EUR Schadensersatz und Freistellung von Forderungen Dritter geltend. Widerklagend fordert die Beklagte Netzanschlusskosten in Höhe von 1.394.769,59 EUR.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 3-35, Bl. 495-512 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 1.356.507,09 EUR stattgegeben. Die Klage sei zulässig, insbesondere sei das Landgericht sachlich zuständig gemäß § 102 Abs. 1 EnWG und gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die geltend gemachten Schadensersatz- und Freistellungsansprüche nicht bestünden. Solche ergäben sich weder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Vorschriften der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV), noch aus § 32 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1, § 17 Abs. 3 EnWG i.V.m. Vorschriften der Gasnetzzugangsverordnung, noch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien vereinbarten Realisierungsfahrplan.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (S. 35-55, Bl. 512-522 d.A.) Bezug genommen.
Mit am 20. Januar 2017 per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage (Bl. 561 d.A.) hat die Klägerin gegen das ihr am 22. Dezember 2016 zugestellte (Bl. 530 d.A.) Urteil beim Oberlandesgericht Braunschweig Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung (Bl. 569, 574 d.A.) - mit am 24. April 2017 per Telefax eingegangenem (Bl. 577 d.A.) Schriftsatz vom selben Tage begründet.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 24. April 2017 (Bl. 640-700 d.A.) Bezug genommen.
In der Hauptsache kündigt die Klägerin an, zu beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 16. Dezember 2016 - 8 O 1138/15 -
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.156.205,86 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einem Betrag in Höhe vo...