Entscheidungsstichwort (Thema)

Fälligkeit und Verjährung des Anspruchs auf eine Pauschgebühr gemäß § 51 RVG

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr für das gesamte Verfahren gemäß § 51 RVG wird erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).

 

Normenkette

RVG § 8 Abs. 1 S. 1, § 51

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Entscheidung vom 27.06.2011; Aktenzeichen 6 Ks 2/11)

 

Tenor

1. Die Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).

2. Dem zum Beistand der Nebenkläger bestellten Rechtsanwalt S. H. wird eine

Pauschvergütung in Höhe von 14.000,00 (vierzehntausend) Euro

zugebilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Ansprüche auf Ersatz von Auslagen und von Umsatzsteuer bleiben unberührt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt für seine Tätigkeiten im Strafverfahren vor dem Landgericht Göttingen (Az.: 6 Ks 2/11) gegen J. O., dem der Mord an zwei Kindern zur Last gelegt wurde, die Gewährung einer Pauschvergütung.

Er ist mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen (Az.: 38 Gs 735/10) vom 29. Dezember 2010 bereits im Ermittlungsverfahren für die Eltern eines der verstorbenen Kinder und mit Beschlüssen des Landgerichts Göttingen vom 28. März und 12. April 2011 für diese sowie für die Schwester des getöteten Kindes, die insgesamt als Nebenkläger zugelassen wurden, im Hauptverfahren als deren Beistand bestellt worden.

Das von großem medialem Interesse begleitete Verfahren endete nach 13 Hauptverhandlungstagen erstinstanzlich durch Urteil des Landgerichts Göttingen vom 27. Juni 2011, durch welches der Angeklagte mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt wurde. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Urteil ist seit dem 12. Januar 2012 rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten gegen das landgerichtliche Urteil gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hatte.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens über die üblichen Gebühren hinaus - diese betragen (mit Auslagen und Umsatzsteuer) 7.007,67 Euro - gemäß § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschvergütung von 15.000,00 Euro (zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer).

Die zu diesem Antrag gehörte Bezirksrevisorin bei dem Landesgericht Braunschweig teilte mit Schreiben vom 28. Januar 2016 mit, dass sie beabsichtige, die Einrede der Verjährung zu erheben. Diesem Ansinnen trat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. Februar 2016, auf den inhaltlich Bezug genommen wird, entgegen. In Kenntnis dieses Schriftsatzes erhob die Bezirksrevisorin mit weiterem Schreiben vom 09. März 2016 die angekündigte Verjährungseinrede, soweit es einen Pauschvergütungsanspruch für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht Göttingen betrifft. Sie meint, der Vergütungsanspruch sei in diesem Umfang mit Ablauf des 11. Januar 2015 verjährt, denn die dreijährige Verjährungsfrist habe insoweit mit Verkündung des Urteils des Landgerichts Göttingen zu laufen begonnen und sei lediglich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens am 11. Januar 2012 gehemmt gewesen. Für die Revisionsinstanz befürworte sie eine Gebühr gemäß Nr. 4130 VV in Höhe von 1.500,00 Euro. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10. April 2016 seine Rechtsposition, wonach der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens fällig werde und der entsprechende Antrag deshalb noch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2015 gestellt worden sei, nochmals verteidigt.

II.

1. Der gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S.1 RVG originär zuständige, mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 42 Abs. 3 S. 2 RVG).

2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG für seine Tätigkeiten als gerichtlich bestellter Beistand der Nebenkläger in dem eingangs genannten Strafverfahren liegen vor.

Gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar sind. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben. Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Antragstellers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus ve...

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