Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbfolge nach Sonderrecht trotz Wegfalls der Hofeigenschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die rechtliche Beurteilung von Verfügungen von Todes wegen, die in öffentlichen Urkunden enthalten und eröffneter sind, stellt kein Eintragungshindernis im Sinne des § 18 GBO dar; sie ist vom Grundbuchamt selbst vorzunehmen, ohne dass es eines Erbscheins bedürfte.
2. Eine landwirtschaftliche Besitzung, die beim Eintritt des erbvertraglich geregelten Vorerbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung war, wird bei Eintritt der Nacherbfolge auch dann nach dem Sonderrecht vererbt, wenn die Hofeigenschaft vor Eintritt des Nacherbfalls weggefallen ist.
3. In Fall des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO können zum Nachweis negativer Tatsachen - insbesondere dafür, dass keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind - auch eidesstattliche Versicherungen, die von einem Beteiligten vor einem Notar abgegeben worden sind, herangezogen werden.
Normenkette
BGB §§ 242, 2100, 2286, 2289 Abs. 1 S. 2; GBO §§ 18, 22, 29, 35 Abs. 1 S. 2; GNotKG § 25 Abs. 1; HöfeO § 7 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Northeim (Aktenzeichen TR-190-14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. werden die Zwischenverfügungen des Amtsgerichts Northeim - Grundbuchamt - vom 14. März und 24. Mai 2017 - ... Blatt 190-14 - aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag der Beteiligten zu 1. und 2. vom 2. März 2017 an das Amtsgerichts Northeim - Grundbuchamt - zurückgegeben.
Gründe
I. Die Beteiligten möchten mittels eines "Vermächtniserfüllungsvertrages" eine Grundbuchberichtigung herbeiführen, das Grundbuchamt hält einen Erbschein für erforderlich.
1. Die Beteiligte zu 1. ist die Stieftochter des Erblassers, die Beteiligte zu 2. dessen Nichte - die Tochter seiner Schwester.
Der Erblasser übernahm mit dem Übergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrag vom 20. März 1967 (Bl. 2-8 d.A.) im Wege vorweggenommener Erbfolge von seinem Vater dessen Hof im Sinne der Höfeordnung. Daneben schloss er mit seinem Vater den notariellen Erbvertrag vom 20. März 1967 (Bl. 101-103 d.A.); dieser enthält unter Ziffer 1 die folgende Regelung zur Erbfolge bezüglich des Hofes:
Verstirbt der Erschienen zu 2) [der Erblasser], ohne zumindest einen blutseigenen, ehelichen Abkömmling zu hinterlassen, erben seinen Hof ... der Erschiene zu 1) [der Vater des Erblassers] und Ehefrau ... [die Mutter des Erblassers] je zur Hälfte,
ersatzweise der überlebende Ehegatte,
ersatzweise Cs [Schwester des Erblassers] älteste Tochter, B [Nichte des Erblassers, Beteiligte zu 2.],
ersatzweise ...
Unter Ziffer 2 enthält der Vertrag die folgende Regelung zur (sonstigen) Erbfolge:
Aufgrund des eingangs erwähnten Übergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrages an den Erschienen zu 2) [den Erblasser] setzt der Erschienene zu 1) [der Vater des Erblassers] seine Tochter C [Schwester des Erblassers] zur Alleinerbin ein,
ersatzweise ...
Vater und Mutter des Erblassers verstarben in den Jahren 1970 respektive 1978 (Bl. 47 f. d.A.). Der Hofvermerk wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1979 im Grundbuch gelöscht (Bl. 17 f. d.A.).
Mit notariellem Testament vom 26. April 2004 (Bl. 104-106 d.A.) testierte der Erblasser erneut. Als Vorbemerkung führte er unter § 1 Abs. 4 aus:
Mit Erbvertrag vom 20.03.1967 ... habe ich eine bindende erbrechtliche Verfügung nur hinsichtlich des von meinem Vater übertragenen Hofes getroffen. Im Übrigen bin ich in der freien Verfügung über mein Vermögen in keiner Weise beschränkt, weder durch einen Erbvertrag noch durch ein gemeinschaftliches Testament. Vorsorglich widerrufe ich auch alle etwa vorhandenen früheren Verfügungen von Todes wegen.
In § 2 des notariellen Testaments vom 26. April 2004 setzte der Erblasser seine Ehefrau - ersatzweise deren Tochter, die Beteiligte zu 1. - zur Alleinerbin ein.
Die Ehefrau des Erblassers verstarb im Jahr 2007, der Erblasser verstarb am 31. August 2016 (Bl. 107 d.A.).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Oktober 2016 (Bl. 108 d.A.) beantragte zunächst die Beteiligte zu 2. die Eintragung im Grundbuch bezüglich des verbliebenen Grundbesitzes; sie sei ausweislich des Erbvertrags vom 20. März 1967 Erbin des Hofes mit landwirtschaftlichem Grundbesitz. Mit Zwischenverfügung vom 27. Oktober 2016 (Bl. 110 d.A.) teilte das Amtsgericht mit, es benötige einen Erbschein, da der Antrag sich auf einen Hof beziehe, der Hofvermerk aber 1979 gelöscht worden sei.
Mit notariellem "Vermächtniserfüllungsvertrag" vom 2. März 2017 (Bl. 113-120 d.A.) vereinbarten die Beteiligten zu 1. und 2. unter anderem, dass die Beteiligte zu 1. die Grundstücke, die ehemals zum Hof des Erblassers gehört hatten, an die Beteiligte zu 2. übereignet. Die Beteiligte zu 1. sei Alleinerbin geworden, da der Erblasser keine Abkömmlinge hinterlassen habe und seine Ehefrau im Jahr 2007 vorverstorben sei. Hinsichtlich des Hofes habe eigentlich die Beteiligte zu 2. aufgrund des notariellen Vertrags vom 20. März 1967 Erbin werden sollen, der Hof sei aber nicht mehr in der Höferolle eingetragen. Die Beteiligten seien einig...