Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch des volljährigen Kindes auf Auskehrung des Kindergeldes bei fehlender Bedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Besteht wegen fehlender Bedürftigkeit kein Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes gegen seine Eltern, so steht diesem auch kein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf Auskehrung des von den Eltern bezogenen Kindergeldes zu.
2. Die einschlägigen steuer- und sozialrechtlichen Regelungen legen es nahe, dass das Kindergeld bei fehlender Bedürftigkeit des Kindes auch familienrechtlich den Eltern zusteht, so dass keine Grundlage für einen aus § 242 BGB hergeleiteten Auskehrungsanspruch ersichtlich ist.
Normenkette
BGB §§ 242, 1602, 1612b Abs. 1; EStG § 31 S. 2, § 74 Abs. 1; SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 4; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
AG Wolfenbüttel (Aktenzeichen 22 F 112/22) |
Tenor
Die Beteiligten werden gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wolfenbüttel vom 27.12.2022 auf seine Kosten zurückzuweisen.
Ferner ist beabsichtigt, den Beschwerdewert auf 2.828,00 EUR festzusetzen.
Hierzu erhalten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Auskehrung des von der Antragsgegnerin bezogenen Kindergeldes an den Antragsteller.
Der am 14.01.2003 geborene Antragsteller ist der volljährige Sohn der Antragsgegnerin, in deren Haushalt er bis einschließlich Juni 2021 gelebt hat. Seit September 2019 absolviert er eine Ausbildung, wobei aufgrund der Höhe seiner Ausbildungsvergütung keine Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin ihm gegenüber mehr besteht. Nach seinem Auszug ist das staatliche Kindergeld in Höhe von 219,00 EUR monatlich weiterhin an seine Mutter geflossen. Seit August 2021 leitete sie hiervon lediglich einen Anteil von monatlich 119,00 EUR an ihren Sohn weiter. Monatlich 100,00 EUR behielt sie für sich unter Verrechnung mit den ihrer Auffassung nach vom Antragsteller geschuldeten monatlichen Ratenzahlungen für ein Motorrad.
Im September 2022 stellte der Antragsteller bei der Familienkasse einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes. Diesem wurde mit Bescheid vom 16.12.2022 entsprochen, durch den ihm für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 ein monatlicher Abzweigungsbetrag i.H.v. 100,00 EUR und ab Januar 2023 i.H.v. 131,00 EUR gewährt wurde.
Der Antragsteller bestreitet das Vorliegen einer Vereinbarung über von ihm zu leistende Ratenzahlungen für das Motorrad.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn rückständige Kindergeldzahlungen aus der Zeit von August 2021 bis Juli 2022 in Höhe von 1.200,00 EUR zu zahlen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zum Zeitpunkt der wirksamen Abzweigung des Kindergeldes an ihn ab August 2022 das Kindergeld vollständig i.H.v. zurzeit 219,00 EUR monatlich an ihn zu erstatten.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich die Zurückweisung der Anträge beantragt.
Mit Beschluss vom 27.12.2022, auf den wegen der Einzelheiten seiner Begründung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Anträge zurückgewiesen. Es hat insbesondere ausgeführt, es gebe keinen eigenständigen, von Unterhaltspflichten unabhängigen Anspruch eines volljährigen Kindes auf Auskehrung des Kindergeldes.
Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 05.01.2023 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 02.02.2023 beim Amtsgericht eingegangenen und gleichzeitig begründeten Beschwerde. Er macht geltend, beim Kindergeld handele es sich grundsätzlich um Einkommen des Kindes, welches von dem bezugsberechtigten Elternteil auch dann an das Kind weiterzuleiten sei, wenn keine Unterhaltsverpflichtung bestehe. Ein entsprechender Anspruch bestehe mindestens gemäß § 242 BGB i.V.m. § 1612b BGB.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 27.12.2022 aufzuheben und seinen Anträgen stattzugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Verweis auf deren Begründung sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere hinsichtlich der Verrechnung des Kindergeldes mit den nach ihrem Vortrag ihr gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten des Antragstellers.
II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Auskehrung des von der Antragsgegnerin bezogenen Kindergeldes nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten zu Recht zurückgewiesen.
Zwar geht mit der gesetzlichen Regelung in § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach das Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes vollumfänglich anzurechnen ist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ein Anspruch des Kindes auf Auskehrung des Kindergeldes einher (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2005 - XII ZR 34/03, juris Rn. 26; Urteil...