Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums hins. Thermofenster und Fahrkurvenerkennung
Leitsatz (amtlich)
Die Behauptung der Beklagten, sich in einem Verbotsirrtum befunden zu haben, enthält die Behauptung, dass dieses für die Repräsentanten der Beklagten gelte, denn diese vertreten (repräsentieren) die Beklagte. Der Darlegung subjektiver Vorstellungen einzelner Mitarbeiter der Beklagten bedarf es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einem Verbotsirrtum entgegenstehende Umstände bekannt waren bzw. die Möglichkeit bestand, dass diese aufgrund eines Organisationsverschuldens nicht zur Kenntnis der relevanten Entscheidungsträger gelangt sind (OLG Stuttgart 28.09.2023 - 24 U 2616/22 folgend).
Normenkette
BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV §§ 6, 27; EGV 715/2007 Art. 3 Abs. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 22.07.2021; Aktenzeichen 11 O 2437/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 22. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 22. Juli 2021 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: Gebührenstufe bis 16.000.- EUR.
Gründe
1. Die Berufung des Klägers ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Insoweit wird zur Begründung zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 26.10.2023 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers vom 30.11.2023 vermag, auch mit den darin gestellten Hilfsanträgen, zu einer anderen Entscheidung nicht zu führen.
a) Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB besteht nicht.
aa) Wie in Ziff. I.2 des Hinweisbeschlusses ausgeführt, wendet sich die Berufung nicht weiter gegen die Ablehnung eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB wegen der Installation des OBD-Systems. Die Stellungnahme des Klägervertreters vom 30.11.2023 geht darauf nicht mehr ein.
bb) Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen der Prüfstands- oder Fahrkurvenerkennung mit Reduzierung der Abgasrückführung im gewöhnlichen Straßen-, aber nicht im Prüfstandsbetrieb besteht aus den in Ziff. I.3. des Senatsbeschlusses vom 26.10.2023 angeführten Gründen nicht. Abgesehen davon, dass der Klägervertreter mit seiner Stellungnahme vom 30.11.2023 schon nichts gegen die Feststellungen des Landgerichts und des Senats einwendet, dass der Kläger keine tragfähigen Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen hat (Ziff. I.3.a]-d] des Senatsbeschlusses, S. 1-4, Bl. 297-298R d.A.), fehlt es jedenfalls auch an der Darlegung der Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten. Denn diese hat unwidersprochen unter Bezugnahme auf Auskünfte des Kraftfahrtbundesamtes (i.f.: KBA) von Anfang an vorgetragen, in dem Fahrzeug sei zwar eine Fahrkurvenerkennung mit Leerung des NOx-Speicherkatalysators kurz vor Beginn des Prüfzyklus installiert; aber auch deren Deaktivierung führe nach den umfangreichen eigenen Untersuchungen des KBA nicht zu einer Überschreitung der Schadstoffgrenzwerte (Klagerwiderung S. 7-12, Duplik S. 6-9, Berufungserwiderung S. 17f u. Schriftsatz v. 27.12.2023 S. 7f, Bl. 89-94, 167-170, 348f u. 391f d.A.). Ist die Schaltung damit unstreitig nicht "grenzwertkausal", so genügt sie nicht, um dem Handeln der Beklagten ein sittenwidriges Gepräge i.S.d. § 826 BGB zu geben (BGH 10.12.2023 - VII ZR 412/21, in Juris Rz. 13-17 -; 06.11.2023 - VIa ZR 535/21, in Juris Rz. 10-13 -; 27.11.2023 - VIa ZR 1062/22, in Juris Rz. 9 -). Dies gilt dann wiederum nicht nur für den vom Kläger in erster Linie geltend gemachten "großen", sondern auch für den mit Schriftsatz vom 30.11.2023 hilfsweise verlangten "kleinen" Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB.
cc) Hinsichtlich des vom Kläger beanstandeten "Thermofensters" ist zunächst der Auffassung der Kammer beizutreten, wonach der Kläger dessen auf die im Prüfzyklus vorgeschriebenen +20 bis +30°C beschränkten Wirkungsbereich im streitgegenständlichen Fahrzeug angesichts des detaillierten Vortrags der Beklagten nur unsubstantiiert behauptet hat; danach ist von der von der Beklagten behaupteten Reichweite von -24 bis +70°C auszugehen und damit von einer solchen, die wegen Erfassung sämtlicher in Europa üblichen Außentemperaturen keine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 darstellt (Urteil des LG S. 8f Bl. 253f d.A.; Senatshinweis v. 13.07.2023 - 7 U 4/21, in Juris Rz. 3 -). Wie in Ziff. I.2 des Senatsbeschlusses vom 26.10.2023 ausgeführt, enthält die Berufungsbegründung des Klägervertreters keinen Angriff gegen die Ablehnung eines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB durch das Landgericht, soweit der Kläger die Installation des "Thermofensters" beanstandet hat (S. 1 Bl. 297 d.A.). Darüber geht auch die Stellungnahme des Klägervertreters vom 30.11.2023 nicht hinaus.
Aber auch unabhängig davon hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass ein Er...