Leitsatz (amtlich)
1. Ob das Nachlassgericht seinen Pflichten zur Erbenermittlung hinreichend nachgekommen ist, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Eine generelle Verpflichtung zur Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers oder Anfrage bei allen Standesämtern, in deren Einzugsbereich sich der Erblasser während seines Lebens für einige Zeit aufgehalten hat, besteht nicht.
2. Die Einholung eines Wertgutachtens durch den Fiskus im Rahmen der Nachlassabwicklung stellt keine hoheitliche Tätigkeit gegenüber dem wahren Erben dar.
3. Zwischen dem wahren Erben und dem Land als Erbschaftsbesitzer besteht kein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis. Land haftet ggf. als Erbschaftsbesitzer gegenüber dem wahren Erben.
4. Durch die Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, wird dem wahren Erben nicht das Eigentum an einem in den Nachlass fallenden Grundstück entzogen.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, §§ 818, 839 Abs. 1 S. 1, §§ 873, 964, 982, 1936, 2018, 2021, 2029, 2029, 2268; GG Art. 34; EMRK Art. 1; ZPO § 142 Abs. 1 S. 1, §§ 143-144, 286
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.04.2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig, soweit er die von ihm eingelegte Berufung hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 6.793,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2015 zurückgenommen hat.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.04.2019 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 125.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen des Sachverhalts und der in der Berufungsinstanz gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung im Hinweisbeschluss des Senats vom 23.07.2020 (Bl. 330 ff. d. A.) Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 23.07.2020 verwiesen.
1. a.) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 07.08.2020 Bedenken gegen eine Entscheidung im Beschlusswege gem. § 522 Abs. 2 ZPO geäußert hat, weil das Gericht seine Entscheidung u. a. auf eine neue Tatsachengrundlage stütze, kann dem nicht gefolgt werden.
Nach Maßgabe von §§ 529, 531 ZPO zulässiges neues Vorbringen ist auch dann zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden will (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2016 - V ZR 258/15 - NJW 2017, 736). Eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ist insofern zulässig, wenn die Berufung auch unter Berücksichtigung nach §§ 529, 531 ZPO zulässigen neuen Vorbringens offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2016, a. a. O.).
Hier hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 23.07.2020 dargelegt, warum die Berufung des Klägers auch unter Berücksichtigung seines neuen Vorbringens keine Aussicht auf Erfolg hat. Die von dem Kläger vorgetragenen neuen Tatsachen hindern eine Entscheidung gem. § 522 Abs. 2 ZPO daher nicht.
b.) Auch Art. 6 EMRK steht dem nicht entgegen.
Selbst wenn das Berufungsgericht für Tatsachen- und Rechtsfragen zuständig ist, begründet Art. 6 EMRK nicht immer ein Recht auf eine öffentliche Verhandlung (vgl. EGMR, Entscheidung vom 02.02.2006 - 5398/03, BeckRS 2008, 06633). Das Absehen von einer Verhandlung in der zweiten und dritten Instanz kann aufgrund der Besonderheiten des betreffenden Verfahrens gerechtfertigt sein (vgl. EGMR, Entscheidung vom 02.02.2006, a. a. O.). So kann sich die Durchführung einer Verhandlung erübrigen, wenn das Verfahren keine Tatsachen- oder Rechtsfragen - wie im vorliegenden Fall - aufwirft, die auf der Grundlage der Verfahrensakten und der Parteienschriftsätze nicht angemessen entschieden werden können (vgl. EGMR, Entscheidung vom 02.02.2006, a. a. O.).
c.) Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers werden nicht geteilt.
Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.06.2014 - 2 BvR 792/11 -, juris Rn. 8). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, auch ihrer (Rechts-)Auffassung zu folgen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10.02.2020 - 2 BvR 336/19 -, juris Rn. 9 m. w. N.).
Eine Entscheidu...