Entscheidungsstichwort (Thema)
Pachtvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Unter Wohnraummiete fällt nicht jede Vermietung von Wohnräumen, vielmehr muss die Vermietung gerade zu Wohnzwecken erfolgen.
2. Verwirkung bei rückwirkender Erhöhung von laufenden Leistungen aufgrund einer Wertsicherungsklausel.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 15.03.1995; Aktenzeichen 2 O 235/94) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. März 1995 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger sind in Höhe von 25.135,12 DM beschwert.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung fuhrt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1) Unrichtig ist allerdings die Auffassung der Beklagten, die Wertsicherungsklausel in § 8 des Pachtvertrages sei gegen Verstoßes gegen § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) nichtig. Das MHG gilt nur für Wohnraummiete, die hier nicht vorliegt. Zwar sind auf dem verpachteten Grundstück auch zwei Wohnungen gelegen. Der Vertragszweck, auf den zur Bestimmung des Vertragscharakters abzustellen ist (BGH WM 1986, 912, 913 f), besteht aber in der Grundstücksüberlassung zur gewerblichen Nutzung. Mit Recht haben Kläger und Landgericht auf die weit überwiegenden Anteile an Nutzfläche und Pacht abgestellt. Aber auch in der Überlassung der Wohnungen selbst liegt schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keine Wohnraummiete. Unter diesem Begriff fällt nämlich nicht jede Vermietung von Wohnräumen, vielmehr muß die Vermietung gerade zu Wohnzwecken erfolgen (vgl. Voelskow in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1995, § 564 b Rdnr. 11 und vor § 1 MHG Rdnr. 9; Barthelmes, WKSchG, 5. Aufl. 1995, Einführung Rdnr. 26 b). Keine Wohnraummiete liegt vor, wenn Vertragszweck nicht die Eigennutzung, sondern die Weitervermietung der Wohnräume ist; gerade dann, wenn die Räume zur Weitervermietung überlassen werden, handelt es sich nicht um Miete, sondern um Pacht, weil die Räume zur Nutzung, nicht aber zum Gebrauch überlassen werden (Voelskow a.a.O., § 564 b Rdnr. 11). Aus dem Vorbringen der Beklagten, sie habe die Räume nie in Eigennutzung nehmen wollen, sondern ohne Beteiligung der Verpächter eigenverantwortlich Mietverträge über die Wohnungen abgeschlossen, ergibt sich, daß ihr die Räume zu gewerblichen Zwecken überlassen sind.
Im übrigen ließe sich die von der Beklagten versuchte rechtliche Aufspaltung des Pachtvertrages in zwei selbständige Verträge mit dem Vertragstext nicht vereinbaren. Es handelt sich um einen einheitlichen Pachtvertrag, in dem die beiden Wohnungen als Nebensache behandelt worden sind.
2) Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, daß die Beklagte den Wegfall der Pachtzinsverpflichtung für das Inventar nicht ausreichend vorgetragen bzw. nachgewiesen hat. Zwar spricht die von ihr eingereichte Seite 5 des Betriebsprüfungsberichts vom 17.4.1978 dafür, daß die Beklagte den größten Teil des Pachtinventars von den Verpächtern gekauft hat, so daß auch ohne ausdrückliche neue Vereinbarung der entsprechende Pachtzinsanspruch nach § 323 Abs. 1 zweiter Halbsatz BGB entfallen wäre. Indessen liefert die entsprechende Feststellung des Betriebsprüfers keinen vollgültigen Beweis, zumal nicht der vollständige Betriebsprüfungsbericht vorliegt und ebenso nicht der Jahresabschluß, auf den sich die Auflösung der Rückstellung bezieht.
3) Die Beklagte kann sich allerdings, soweit erhöhte Pacht für die Zeit vor Anfang 1994 gefordert wird, und somit auch für die hier im Streit befindliche Zeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf Verwirkung (§ 242 BGB) berufen. Das Erhöhungsverlangen hat die frühere Klägerin, vertreten durch den jetzigen Kläger zu 2), unstreitig erstmals Anfang 1994 geltend gemacht. Für die Zeit davor brauchte sich die Beklagte nicht auf eine rückwirkende Erhöhung der von ihr gezahlten Pacht einzustellen.
Bei rückwirkender Erhöhung von laufenden Leistungen aufgrund einer Wertsicherungsklausel ist die Rechtsprechung eher als bei anderen Rechtsbeziehungen geneigt, Verwirkung anzunehmen (vgl. BGH DNotZ 1979, 19, 21; OLG Düsseldorf BB 1994, 2309). Dies liegt daran, daß ein Vertrauenstatbestand regelmäßig schon dadurch aufgebaut wird, daß der Gläubiger die objektiv zu geringe Leistung des Schuldners widerspruchslos entgegennimmt und damit aus der Sicht des Schuldners als volle Erfüllung akzeptiert. Die beiden zitierten Entscheidungen befassen sich allerdings mit Fällen, in denen die Wertsicherungsklausel so formuliert war, daß der Schuldner der vertraglich festgelegten Erhöhung zunächst zustimmen mußte, ehe die Erhöhung wirksam wurde, während § 8 des Pachtvertrages vom 5.1.1967 mit dem Wortlaut „wird vereinbart, daß der Pachtzins … sich … erhöht oder erniedrigt…” mit den Klägern unbedenklich dahin auszulegen ist, daß ohne gesonderte Erhö...