Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersvorsorge: Anspruch des Insolvenzverwalters eines geschäftsführenden Alleingesellschafters gegen die Gesellschaft auf Kündigung eines durch die Gesellschaft für den Insolvenzschuldner als unwiderruflich Bezugsberechtigten geschlossenen Rentenversicherungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Übertragung des Kündigungsrechts bezüglich eines Rentenversicherungsvertrages vom Versicherungsnehmer auf einen unwiderruflich bezugsberechtigten Dritten nicht feststellbar, so verbleibt das Kündigungsrecht beim Versicherungsnehmer; dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Dritten kann aber aus dem Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung ein An-spruch auf Kündigung des Rentenversicherungsvertrages gegen den Versicherungsnehmer zustehen.
2. Ist einem Dritten bezüglich eines Lebensversicherungsvertrages ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden, so gehört der Rückkaufswert im Falle einer Insolvenz des Dritten zur Insolvenzmasse, soweit dem nicht die Pfändungsschutzvorschriften entgegenstehen.
3. Ist der Dritte Allein- oder Mehrheitsgesellschafter des Versicherungsnehmers, so kann er sich nicht auf die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvor-sorge (BetrAVG) berufen.
Normenkette
BetrAVG § 2 Abs. 2, § 17; InsO §§ 35-36; VVG § 168; ZPO §§ 850, 850b, 851c
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 23.08.2018; Aktenzeichen 1 O 803/18 (059)) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23.08.2018 (1 O 803/18) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23.08.2018 sind ohne Sicherheitsleistung für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem jeweiligen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf die Wertstufe bis zu 25.000,00 EUR.
Gründe
I. Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Kündigung einer zwischen dem Beklagten als Versicherungsnehmerin und der A. Lebensversicherungs-AG geschlossenen Direktversicherung in Anspruch.
Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 08.08.2014 (Geschäftsnummer xxx) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn M. W. (im Folgenden: Insolvenzschuldner) bestellt worden.
Der Insolvenzschuldner ist Alleingesellschafter und gemäß Anstellungsvertrag vom 01.08.2009 i.V.m. nachfolgend geschlossenen Änderungsvereinbarungen (Anlage BK 2, Bl. 113ff d.A.) Geschäftsführer der Beklagten.
Im Jahr 2012 schloss die Beklagte als Versicherungsnehmerin bei der A. Lebensversicherungs-AG einen Rentenversicherungsvertrag "A. Direkt Versicherung Klassik" (Versicherungsnummer ...) (Anlage K2 bzw. Bl. 123 ff d.A.) für den Insolvenzschuldner als versicherte Person ab. Dieser ist nach dem Versicherungsschein (Anlage K3) unwiderruflich bezugsberechtigt ohne Vorbehalt. Als Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlung ist vertraglich der 01.12.2038 vereinbart. Der Rückkaufwert der streitgegenständlichen Versicherung betrug zum 01.04.2017 17.001,75 EUR.
Die vom Kläger begehrte Kündigung des Versicherungsvertrages, um den Rückkaufwert der zur Insolvenzmasse ziehen zu können, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.10.2017 (Anlage K5) ab.
Der Kläger ist der Ansicht, dem Insolvenzschuldner als versicherter Person stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch zu, zu seinen Gunsten das Kündigungsrecht auszuüben. Dieser Anspruch sei im vorliegenden Fall mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 InsO auf den Kläger übergegangen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Kündigung des Versicherungsvertrages "A. Direkt Versicherung Klassik" Nr. ... zwischen der Beklagten und der A. Lebensversicherungs-AG, ..., S. zu erklären.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, ein Anspruch des Klägers, aus dem Valutaverhältnis die Kündigung des Versicherungsvertrages zu verlangen, sei nicht ersichtlich, da das Kündigungsrecht nicht auf den Insolvenzschuldner übertragen worden sei. Soweit der Kläger sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.12.2009 (IV ZR 65/09) beziehe, sei dieser nicht der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, wonach dem Bezugsberechtigten gegen den Versicherungsnehmer stets ein Anspruch auf Ausübung oder Übertragung des Kündigungsrechts zustehe. Einen derartigen Rechtsgrundsatz gebe es bereits deswegen nicht, da § 168 VVG das Kündigungsrecht explizit dem Versicherungsnehmer zuweise.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 23. August 2018 (Bl. 33 ff. d.A.) verurteilt, die Kündigung des Versicherungsvertrages "A. Direkt Versicherung Klassik" Versicherung Nummer ... zwischen...