Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch bei Beteiligung bei atypischer stiller Gesellschaft
Verfahrensgang
LG Göttingen (Urteil vom 15.05.2003; Aktenzeichen 2 O 553/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Göttingen vom 15.5.2003 abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.425,57 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2002 zu zahlen, die Beklagte zu 1) Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte im Zusammenhang mit dem Beteiligungsverhältnis Vertragsnummer ... .
Es wird festgestellt, dass das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) durch außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 7.5.2002, der Beklagten zu 2) zugegangen am 11.5.2002, beendet worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin - jeweils beider Instanzen - haben die Beklagten zu 76 % als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 2) zu weiteren 24 % allein zu tragen. Ihre sämtlichen außergerichtlichen Kosten haben die Beklagten jeweils selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert wird für den Berufungsrechtszug
a) für den Zeitraum bis zum 26.7.2004 einschließlich auf 30.188,60 Euro,
b) für die Zeit danach auf 29.690,09 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin zeichnete am 21.9.2000 eine Beteiligung an der Beklagten zu 2) als atypisch stille Gesellschafterin in Form einer Einmaleinlage i.H.v. 40.000 DM sowie einer Rateneinlage (300 DM/360 Monate). Für die Einzelheiten des Zeichnungsscheins zu Vertragsnummer ... wird auf dessen Ablichtung (Anlage K 1/Anlagenband I) Bezug genommen. Die Beklagte zu 1) hatte die Beteiligung vermittelt. Der Umstand, dass sich die Beklagte zu 2) sowie deren Verantwortliche noch im Jahre 2000 strafrechtlichen Vorwürfen seitens des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (im Folgenden kurz: BAKred) ausgesetzt sahen, war der Klägerin im Rahmen der Vermittlungsgespräche nicht mitgeteilt worden. Auf die Anlage zahlte die Klägerin insgesamt 22.763,02 Euro ein und erhielt gewinnunabhängige Entnahmen i.H.v. 337,45 Euro.
Das LG Göttingen hat die Klage mit Urteil vom 15.5.2003, auf dessen tatsächliche Feststellungen und rechtliche Bewertungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Gegen das dem Klägervertreter am 19.5.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 17.6.2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 21.7.2003 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:
Zum Zeitpunkt der Anwerbung der Klägerin sei das System der Beklagten zu 2) bereits so weit gekippt gewesen, dass für die Klägerin keine nur halbwegs realistische Chance bestanden habe, ihr Geld jemals wiederzusehen. Deshalb sei die Beteiligung bei der Beklagten zu 2) keine taugliche Wertanlage, sondern in seiner tatsächlichen Ausprägung und Handhabung sittenwidrig gewesen.
Bereits im Vorgängersegment (gemeint ist VI) sei nichts mehr investiert worden. Die Darstellung S. 43 des Gutachtens - Anlage KB 3 - sei insofern irrelevant. Allein 437,3 Mio. DM setzten sich aus den Positionen Investitionskostenersatz und ausstehende Einlagen zusammen, die aber nicht als Investitionen, sondern als Liquidität bezeichnet werden müssten, und nicht zur Verfügung gestanden hätten. Die nachgewiesenen Vermögenswerte hätten im Wesentlichen aus Anteilen an der Beklagten zu 2) selbst bestanden und seien mit Fantasiewerten angesetzt worden. Die Bewertung der stillen Reserven sei ebenfalls willkürlich und spiegele den Börsenwert nicht wieder. Umsätze seien im Wesentlichen innerhalb des Konzerns erwirtschaftet, d.h. von den atypisch stillen Gesellschaftern bezahlt worden. Ausweislich des vorgenannten Gutachtens sei - die stillen Reserven außer Betracht gelassen - selbst bei voller Berücksichtigung der Anschaffungswerte ein Betrag von weniger als 220 Mio. DM und damit bestenfalls 43 % investiert worden. Im Übrigen stelle der Erwerb von Aktien eines Tochterunternehmens nicht das dar, was den Kunden versprochen worden sei, sondern eine bloße Verschiebung von Liquidität im Konzern.
Erst recht sei im Segment VII kein Geld mehr für sinnvolle Investitionen vorhanden gewesen. Für dieses Segment seien per 31.12.2000 ausweislich einer in dem Verfahren des LG Göttingen zu 2 O 356/01 vorgelegten Aufstellung "Investitionen" i.H.v. 69 Mio. DM vorgenommen worden, wobei es sich aber offensichtlich um Kapitalverschiebungen innerhalb des Konzerns gehandelt habe. Zwischenzeitlich werde nichts mehr investiert. Vielmehr dienten die Zahlungen der atypisch stillen Gesellschafter einzig dazu, die Forderungen der P.-Insolvenzverwaltung und des laufenden Betriebs zu ...