Entscheidungsstichwort (Thema)

Gutglaubenserwerb beim Gebrauchtwagenkauf

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der private Erwerber eines Gebrauchtwagens den Namen des telefonisch kontaktierten privaten Veräußerers auf Übereinstimmung mit dem des aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Halters geprüft, so kann er im Einzelfall trotz Straßenverkauf, Barzahlung und Einsatz eines sich nicht ausweisenden Botens guten Glaubens im Sinne des § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.

 

Normenkette

BGB § 932 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Aktenzeichen 5 O 153/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 13. April 2016 - 5 O 153/15 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 17.858,72 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt die Herausgabe eines als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs von dem Beklagten als dessen Käufer.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Seite 2 -4, Bl. 126 - 128 d.A.) Bezug genommen. Ergänzend ist anzuführen, dass die Klägerin zum Beweis für den Umstand, dass das Fahrzeug dem Darlehensnehmer abhandengekommen ist, das Zeugnis des Herrn I. C. anbietet.

Das Landgericht hat der Klage aus § 985 BGB stattgegeben. Dabei hat es dahinstehen lassen, ob das Fahrzeug tatsächlich abhandengekommen ist. Jedenfalls habe der Beklagte das Fahrzeug nicht gutgläubig i.S.d. § 932 BGB erworben. Zwar habe die Fälschung der Fahrzeugpapiere dem Beklagten nicht auffallen müssen, es gäbe aber weitere Indizien, die zwar nicht für sich genommen, doch in ihrer Gesamtheit Anlass gegeben hätten, an der Redlichkeit des Verkäufers zu zweifeln. Hierzu zählten u.a. die Straßenverkaufssituation, die mangelnde persönliche Bekanntheit des in den Fahrzeugpapieren Eingetragenen, die fehlende Überprüfungsmöglichkeit der Identität des für den Veräußerer Handelnden, dessen Präsentation als nicht unbedingt seriöse Person sowie das Vorliegen nur eines Kaufvertragsexemplars.

Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 18. 04. 2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. 05. 2016 Berufung eingelegt und begründet. Zur Begründung führt er an, dass die vom Landgericht angeführten Indizien weder einzeln noch in Zusammenschau einen derart starken Verdacht begründet hätten, dass dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 17. 05. 2016 verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 13. April 2016 - 5 O 153/15 -, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I. C.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2016 (Seite 2 bis Seite 9, Blatt 215-222 d. A.) verwiesen.

Die Akte der Staatsanwaltschaft Berlin - 271 Js 2633/14 - war beigezogen Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II. Die Berufung ist zulässig und begründet.

Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs der Marke [...] besteht nicht. Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB setzt voraus, dass die Klägerin Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges ist. Dies ist sie nicht mehr. Der Beklagte hat das Fahrzeug gutgläubig gemäß §§ 929 Satz 1,932 BGB erworben.

Eine Einigung über den Eigentumsübergang i.S.d. § 929 S. 1 BGB ist zwischen dem Beklagten und der Person, die unter dem Namen des Herrn I. C. auftrat, erfolgt. Die Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges an den Beklagten scheitert daher nicht daran, dass der vor Ort auftretende, sich als Bruder des Herrn C. ausgebende Herr I. G. nicht von Herrn C. bevollmächtigt war und dieser das Rechtsgeschäft auch nicht genehmigt hat, zumal Herr G. nicht als Vertreter des Veräußerers aufgetreten ist, sondern vielmehr lediglich als Bote. Dies könnte nicht deutlicher werden als in seiner Weigerung, den vom vermeintlichen Veräußerer bereits vorunterschriebenen Kaufvertrag mit zu unterschreiben. Auch die Kaufpreisminderung wurde nicht mit dem vor Ort anwesenden Herrn G., sondern telefonisch mit dem vermeintlichen Veräußerer ausgehandelt.

Der Beklagte hat das Fahrzeug auch gutgläubig erworben. Bei einer nach § 929 S. 1 BGB erfolgten Übereignung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist, § 932 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter der hier nur in Betracht kommenden Alternative der groben Fahrlässigkeit wird im allgemeinen ein Ha...

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