Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Steuerberaters für den fehlerhaften Ansatz von Gebäude-AfA
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerberater verstößt gegen seine Pflicht aus dem mit seinem Mandanten über die Erstellung von Steuererklärungen geschlossenen Steuerberatervertrag, wenn er die Absetzung für Abnutzung (AfA) für Gebäude nicht eigenständig ermittelt, sondern den von seinen Vorgängern gewählten Ansatz ungeprüft übernimmt.
2. Die Steuervorteile, die der Mandant durch einen verlängerten Abschreibungszeitraum erlangen kann, unterliegen den Regeln der Vorteilsausgleichung und sind von dem beklagten Steuerberater darzulegen und zu beweisen.
3. Die Anrechnung von Steuervorteilen durch eine Verlängerung des Abschreibungszeitraums führt zu einer unzumutbaren Belastung des Mandanten, wenn er bis zu einem teilweisen Ausgleich seines Schadens über 17 Jahre warten müsste.
Normenkette
AO 1977 §§ 44, 92 Abs. 1; BGB §§ 195, 199 Abs. 1, §§ 280, 675; EStG § 7 Abs. 1, 5; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Göttingen (Urteil vom 17.10.2018; Aktenzeichen 5 O 211/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 17.10.2018 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.752,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 01.08.2015 sowie außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 30.08.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.
Dieses Urteil ist für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.963,14 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen angeblicher Pflichtverletzungen bei der Erstellung der Einkommensteuererklärungen für den Kläger und seine Ehefrau für die Jahre 2008 bis 2013 in Anspruch.
Der Kläger erwarb ein Grundstück ... 8 in K. und ließ dort im Jahr 1987 ein Einfamilienhaus errichten. Seit 1998 vermietet der Kläger das Haus.
Der Beklagte ist Steuerberater.
Bis 2004 erstellte die Steuerberaterin B. B. die Einkommensteuererklärungen für den Kläger und seine Ehefrau. Die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007 erstellte der als Treuhänder der verstorbenen Steuerberaterin B. eingesetzte Steuerberater O..
Der Kläger beauftragte den Beklagten mit der Erstellung der Einkommensteuererklärungen für seine Ehefrau und sich für die Jahre 2008 bis 2013. Der Beklagte setzte - wie bereits die Steuerberaterin B. und der Steuerberater O. in den Vorjahren - die Absetzung für Abnutzung (im Folgenden als AfA bezeichnet) in den Steuererklärungen jeweils mit 206,- EUR an.
Mit E-Mail vom 08.06.2015 (Anlage K 6) machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Regressanspruch in Höhe von 8.130,- EUR wegen angeblich fehlerhaft angesetzter AfA-Werte geltend und forderte diesen zur Zahlung bis zum 31.07.2015 auf.
Eine Zahlung seitens des Beklagten erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom 13.08.2015 (Anlage K 7) forderte der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, den Beklagten erneut erfolglos u. a. zur Begleichung der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,13 EUR bis zum 29.08.2015 auf.
Die Ehefrau des Klägers hat mit Erklärung vom 25.08.2016 (Bl. 192 d. A., Band I) ihren Anteil der Forderungen gegen den Beklagten an den Kläger abgetreten, der diese Abtretung angenommen hat.
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.963,14 EUR nebst Verzugszinsen sowie auf den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR nebst Verzugszinsen in Anspruch.
Er behauptet, dass die Herstellungskosten für das Gebäude 160.034,- EUR betragen hätten und der Beklagte in den Jahren 2008 bis 2013 die AfA um jeweils 2.994,- EUR zu niedrig angesetzt habe, so dass dem Kläger durch zu viel gezahlte Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag ein Schaden in Höhe von insgesamt 7.963,14 EUR entstanden sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.963,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 01.08.2015 zu bezahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger außergerichtlich angefallene Anwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 30.08.2015 zu bezahlen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Kläger sich ein Verschulden seiner Steuerberaterin B. zurechnen lassen müsse. Im Übri...