Leitsatz (amtlich)
1. Zur Eintrittspflicht eines Krankentagegeldversicherers während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes sowie am Entbindungstag (§ 192 Abs. 5 VVG; § 1a MB/KT).
2. Der Anspruch auf die nach § 1a Abs. 1 und 2 MB/KT geschuldeten Leistungen entsteht von vornherein nur in Höhe des vertraglich vereinbarten Krankentagegeldes unter Anrechnung eines der versicherten Person zustehenden Anspruchs auf Mutterschaftsgeld, Elterngeld oder einen anderen anderweitigen angemessenen Ersatz für den während dieser Zeit verursachten Verdienstausfall.
3. Sind Leistungen nach Maßgabe des § 1a Abs. 1 und 2 MB/KT errechnet und ausgezahlt worden, bleibt die in § 1a Abs. 3 MB/KT vorgesehene Deckelung der Leistungen auf das "Nettoeinkommen" der Versicherten ohne Auswirkungen. Ob diese weitere Regelung gegen das Transparenzgebot verstößt, kann offenbleiben.
Normenkette
MB/KT § 1a Abs. 1-3; MuSchG § 3 Abs. 1-2, §§ 19-20; VVG § 192 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 20.08.2021; Aktenzeichen 14 O 353/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. August 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 353/20 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.583,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Sie unterhält seit dem 1. Januar 2016 unter der Versicherungsscheinnummer xxxxx (Bl. 11 GA) bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung im Tarif ESP-VA 43 130; versichert ist danach ein kalendertägliches Krankentagegeld in Höhe von 130,- Euro ab dem 43. Tag der bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankentagegeld-Versicherung, darunter in Teil I die Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KT 2009), zugrunde, die in § 1a MB/KT eine Regelung zur Eintrittspflicht des Versicherers während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes sowie am Entbindungstag enthalten. Die Klägerin befand sich im Zeitraum vom 19. April 2020 bis zum 26. Juli 2020 im Mutterschutz, in dem sie von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 MuSchG erhielt. Nach Meldung des Versicherungsfalles erbrachte die Beklagte unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 MuSchG Leistungen in Höhe von 13,- Euro pro Kalendertag, mithin insgesamt 1.287,- Euro; weitergehende Leistungen lehnte sie ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juli 2020 wurde die Beklagte unter Fristsetzung auf den 10. August 2020 vergeblich zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 12.688,- Euro aufgefordert.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer auf Versicherungsleistungen in Höhe von 11.583,- Euro nebst - zugunsten des Rechtsschutzversicherers beanspruchter - vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage die Auffassung vertreten, ihr stehe pro Kalendertag vereinbarungsgemäß ein Anspruch auf 130,- Euro Krankentagegeld zu. Die wiedergegebene Klausel in § 1a Abs. 3 MB/KT 2009 sei wegen Intransparenz unwirksam. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne die Regelung nur so verstehen, dass ihm während der Mutterschutzzeit und am Entbindungstag ein Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld ohne Anrechnung oder etwaige Höchstbeträge zustünde. Zusammen mit dem Mutterschaftsgeld übersteige der Krankentagegeldanspruch auch nicht das Nettoeinkommen der Klägerin. Jedenfalls sei ihr ein Verdienstausfall dadurch entstanden, dass sie die Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Zeitraum des Mutterschutzes in voller Höhe selbst habe zahlen müssen. Die Beklagte ist dem entgegengetreten; sie hat die Ansicht vertreten, vertraglich geschuldete Leistungen seien bereits vollumfänglich erbracht worden.
Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 104 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht im schriftlichen Verfahren mit Zustimmung der Parteien die Klage abgewiesen. Die Frage, ob die in § 1a Abs. 3 MB/KT 2009 enthaltene Klausel hinreichend transparent formuliert sei, könne offenbleiben, weil die Beklagte auch nach der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung des § 192 Abs. 5 Satz 2 VVG, die für diesen Fall Anwendung finde und die die Krankentagegeldversicherung insoweit ebenfalls als Schadensversicherung ausgestalte, nur zum Ersatz des während der Dauer des Mutterschutzes entstandenen Verdienstausfalles verpflichtet sei und auch danach ein den Betrag von 13,- Euro pro Kalendertag übersteigender Anspruch der Klägerin nicht bestehe.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr früheres Begehren uneingeschränkt weiter. Sie hält die Argumentation des Landgerichts, in...