Entscheidungsstichwort (Thema)
Inbrandsetzen einer Geschwindigkeitsmessanlage
Leitsatz (amtlich)
§ 306 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB setzt voraus, dass die Tathandlung (hier: Inbrandsetzen einer Geschwindigkeitsmessanlage) generell als geeignet anzusehen ist, nicht nur den Eigentümer des Tatobjekts zu schädigen, sondern auch sonstige Rechtsgüter zu beeinträchtigen.
Geschwindigkeitsmessanlagen sind als bloße Hilfsmittel der Bußgeldbehörde anzusehen und deshalb selbst weder Einrichtung noch Anlage i. S. d. § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Weil die Bußgeldbehörde jedenfalls primär das Ziel verfolgt, in repressiver Weise Ordnungswidrigkeiten zu ermitteln und zu ahnden, dient sie nicht der Abwehr von Gefahren für bedeutende Rechtsgüter und ist deshalb keine Einrichtung i. S. d. § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Eine Geschwindigkeitsmessanlage ist kein Gegenstand, der i.S.d. § 304 StGB zum öffentlichen Nutzen aufgestellt ist.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Entscheidung vom 03.09.2012) |
Tenor
Unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren und inneren Tatbestand wird der Schuldspruch des Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 3. September 2012 in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 27. März 2012 dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Sachbeschädigung schuldig ist.
Im Rechtsfolgenausspruch wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Liste der angewendeten Vorschriften wird wie folgt gefasst: §§ 303, 303c StGB.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld hat den Angeklagten durch Urteil vom 27. März 2012 wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB) mit einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr belegt. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft - beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch - als auch der Angeklagte Berufung eingelegt.
Das Landgericht Braunschweig hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat die Kammer den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und den Angeklagten - ebenfalls wegen Brandstiftung - zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt. Die Kammer ist der Auffassung, dass es sich bei einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage um eine technische Einrichtung i. S. d. § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB handelt. Sie hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 29.06.2010 befuhr der Angeklagte am Steuer des PKWs des Typs VW Passat Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen ... die B 4 von Braunlage in Richtung Torfhaus. In Höhe der Einmündung zur B 242 wurde das vom Angeklagten geführte Fahrzeug um 17:49 Uhr von der dortigen, vom Landkreis Goslar betriebenen stationären Geschwindigkeitsmessanlage mit einer Geschwindigkeit von 107 km/h (nach Toleranzabzug 103 km/h) geblitzt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle betrug 70 km/h. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer von deutschen Behörden erteilten Fahrerlaubnis. Auf dem ihm am 19.01.1910 von einer polnischen Behörde ausgestellten Führerschein war als sein Wohnort die Anschrift H. angegeben.
Der Angeklagte hatte bemerkt, dass er von der Geschwindigkeitsmessanlage geblitzt worden war. Er befürchtete daher, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung geahndet und darüber hinaus auch die Gültigkeit seiner polnischen Fahrerlaubnis durch die deutschen Behörden überprüft und möglicherweise in Frage gestellt werde.
Er entschloss sich daraufhin, die Geschwindigkeitsmessanlage durch Inbrandsetzen so zu beschädigen, dass das Bild nicht mehr verwertbar wäre, das von ihm bei der Geschwindigkeitsüberschreitung am 29.06.2010 gefertigt worden war.
Zu diesem Zweck fuhr der Angeklagte in der Nacht zum 01.07.2010 gemeinsam mit seinem Bruder Z. und seiner Verlobten H. mit dem PKW des Typs VW Passat Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen ... zu der stationären Geschwindigkeitsmessanlage, die ihn am 29.06.2010 geblitzt hatte.
Entsprechend dem zuvor getroffenen Tatplan stieg eine der drei Personen mit einer zu diesem Zweck mitgenommenen Trittleiter gegen 0:44 Uhr zu dem Kasten, der am oberen Bereich der Geschwindigkeitsmessanlage angebracht war und in dem sich die Kamera und das Messgerät befanden. Diese Person entfernte die beiden runden Glasabdeckungen vor der Kamera und dem Messgerät und stopfte durch die untere Öffnung ein Stoffstück in den Kasten der Messanlage, das zuvor von einem zu diesem Zweck mitgenommenen Bettbezug abgerissen worden war. Anschließend zündete diese Person das in den Kasten gestopfte Stoffstück an, das in Brand geriet. Hierbei wurde die Örtlichkeit entweder von einer der beiden weiteren Personen oder von beiden weiteren Personen mit Taschenlampen ausgeleuchtet. Der Angeklagte befand sich währenddessen durchgehend am Tatort. Dabei war er entweder die Person, die die Glasabdeckungen entfernte, das Stoffstü...