Leitsatz (amtlich)
1. Verzichtet ein mit der Ermittlung des Verkehrswertes einer Immobilie beauftragter Sachverständiger auf genauere Feststellungen - hier: zur Baugenehmigung - und macht dies im Gutachten deutlich, entfällt ein Anspruch aus § 839a BGB.
2. Die dem Sachverständigen bei der Wertermittlung zuzubilligende Toleranz folgt aus einem dem Sachverständigen einzuräumenden Wertungsspielraum und kann daher nicht beansprucht werden, wenn ein Sachverständiger die Wohnfläche fehlerhaft zu groß ermittelt.
Verfahrensgang
LG Göttingen (Urteil vom 10.09.2014; Aktenzeichen 4 O 337/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.09.2014 verkündete Urteil des LG Göttingen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Sachverständigen auf Schadensersatz in Anspruch, weil er in einem Zwangsversteigerungsverfahren grob fahrlässig ein fehlerhaftes Verkehrswertgutachten erstellt haben soll.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der von der Klägerin geltend gemachte Schaden vom Schutzzweck des § 839a BGB nicht umfasst sei. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 16.10.2014 beim Oberlandesgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.12.2014 mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten begründet.
Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens in vollem Umfang weiter.
Ihr stehe entgegen der Ansteht des LG auch Schadensersatz zu, wenn sie in Kenntnis der geringeren Wohnfläche ein niedrigeres Gebot abgegeben und dann von Dritten überboten worden wäre. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin könne nicht allein davon abhängig sein, welche (hypothetischen) Biet-Entscheidungen Dritte bei einem korrekten Wertgutachten getroffen hätten. Sachgerecht sei es demgegenüber, die Schadensersatzberechnung an die Verkehrswertdifferenz oder das Verhältnis der fälschlicherweise festgestellten zur tatsächlich vorhandenen Wohnfläche zu knüpfen. Die landgerichtliche Entscheidung verkenne, dass der Klägerin kein hypothetischer Schaden, sondern tatsächlich ein Schaden entstanden sei.
Der Beklagte hafte aus § 826 BGB, weil er die Unterlagen, indem er in den Bauplänen das Wort "nicht" gestrichen und aus einem "nicht ausgebauten" ein "ausgebautes" Zimmer gemacht habe, vorsätzlich manipuliert habe, ohne die Änderung für jedermann kenntlich zu machen. Da ein Sachverständiger wisse, dass sich die Bieter auf die Unterlagen verließen und finanziell erhebliche Entscheidungen träfen, habe er den Schaden billigend in Kauf genommen. § 826 BGB werde auch nicht durch § 839a BGB verdrängt.
Es treffe ferner nicht zu, wenn das LG ausführe, die Klägerin habe ihren Vortrag an den jeweiligen Verfahrensstand angepasst und nicht bereits von Beginn an moniert, dass ein zweiter Rettungsweg für die gesamte Wohnung fehle. Außerdem habe es fehlerhaft den Vortrag mit Schriftsatz vom 06.08.2014 nicht berücksichtigt, da der Hechtsstrelt hierdurch nicht verzögert worden wäre, nachdem der Verkündungstermin vom 25.07.2014 auf den 05.09.2014 verlegt worden sei.
Ferner hätte das LG auch aus eigener Sachkunde feststellen müssen, dass der Bodenwert des streitgegenständlichen Grundstücks zu hoch angesetzt sei, weil das große Grundstück in keinem Verhältnis zur streitgegenständlichen Wohnung stehe und die Grundstücksgröße für innerstädtische Verhältnisse überzogen sei.
Der "realistische MarktwertlVerkehrswert" der streitgegenständlichen Wohnung sei eher im Bereich unter 200.000,00 EUR angesiedelt, denn die Wohnung sei der Zeugin Stinus für 180.000,00 EUR angeboten worden und der Mitarbeiter der Sparkasse habe bis zu einem Preis von 183.000,00 EUR mitgeboten. Schließlich zeige dies auch der Umstand, dass die Klägerin das Objekt nur für 185.000,00 EUR habe verkaufen können.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Göttingen abzuändern und den Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 19.621,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; an die Klägerin 489,48 EUR für vorprozessuale Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Das LG habe die Klage zu Recht ab...