Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit: Gerichtsstand des Erfüllungsorts für negative Feststellungsklage des Darlehensnehmers und bei Rückabwicklungsklage nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Widerruf eines Darlehensvertrags zur Finanzierung eines Kfz-Kaufvertrags ist für eine negative Feststellungsklage, mit der Erfüllungsansprüche der Bank gegen den Verbraucher geleugnet werden sollen, zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit der Wohnsitz des Verbrauchers als Erfüllungsort gemäß § 29 Abs. 1 ZPO maßgeblich.

2. Ebenso ist bei Widerruf eines verbundenen, der Finanzierung des Erwerbs eines Kraftfahrzeugs dienenden Verbraucherdarlehensvertrags auch für die Rückabwicklung des Darlehensvertrages gemäß § 29 Abs. 1 ZPO das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Darlehensnehmer seinen Wohnsitz hat.

 

Normenkette

BGB §§ 269, 355, 357-358, 495 Abs. 1; ZPO § 29 Abs. 1, §§ 256, 538 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 31.01.2020; Aktenzeichen 4 O 182/19)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 31.01.2020 aufgehoben.

Die Klage ist zulässig.

Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Berufung an das Landgericht Göttingen zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 45.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des durch den Kläger erklärten Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages.

Der Kläger erwarb bei der Fa. Autohaus P. GmbH (im Folgenden als Verkäuferin bezeichnet) einen Pkw M.-B. V (BM 447) V 250 BlueTEC ED/L 32 zum Kaufpreis von 43.500,- EUR. Er erbrachte eine Anzahlung in Höhe von 14.000,- EUR und beantragte unter dem 19.09.2017 - vermittelt durch die Verkäuferin - zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises bei der Beklagten die Gewährung eines Darlehens über einen Nettodarlehensbetrag von 29.500,- EUR zu einem effektiven Jahreszinssatz von 4,25% (Anlage KGR1), das in 60 Monatsraten zurückgeführt werden sollte. Auf Seite 2 enthielt der Darlehensantrag eine Widerrufsinformation (Anlage KGR1).

Die Beklagte nahm den Darlehensantrag an und zahlte die Darlehensvaluta an die Verkäuferin aus. Das Eigentum an dem Fahrzeug wurde zur Sicherheit auf die Beklagte übertragen.

Der Kläger führte das Darlehen vertragsgemäß zurück. Noch vor der vollständigen Rückzahlung erklärte er mit Schreiben vom 04.02.2019 den Widerruf bezüglich des Darlehensvertrags (Anlage KGR2). Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht.

Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass er der Beklagten nach dem Widerruf aus dem Darlehensvertrag keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr schuldet und hilfsweise für den Fall, dass dieser Antrag zulässig und begründet ist, die Rückzahlung der von ihm gezahlten Zins- und Tilgungsraten sowie der Anzahlung nach Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet und die Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Das Landgericht Göttingen hat die Klage mit Urteil vom 31.01.2020 (Bl. 171 ff. d. A.) als unzulässig abgewiesen. Hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie des weiteren Sachverhalts wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass das Landgericht für die negative Feststellungsklage des Klägers - dem Antrag zu 1. - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig sei.

Die Zuständigkeit ergebe sich nicht aus §§ 12,13, 17 ZPO. Die Beklagte sei in S. ansässig. Auch aus § 29 Abs. 1 ZPO ergebe sich keine Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts.

Für die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags nach Widerruf bestehe kein gemeinsamer Erfüllungsort, wonach sämtliche Ansprüche am Wohnsitz des Darlehensnehmers zu erfüllen seien. Vielmehr sei der Erfüllungsort für jede Verpflichtung gesondert zu bestimmen.

Der Kläger verfolge mit der negativen Feststellungsklage das wirtschaftliche Interesse, aufgrund eines wirksam erfolgten Widerrufs weder Zins- noch Tilgungsleistungen zu schulden. Damit wolle der Kläger seinen Rückzahlungsantrag - den Antrag zu Ziffer 2. - vorbereiten. Die Zuständigkeit müsse sich nach diesem Zahlungsantrag richten, der am Sitz der Beklagten und Schuldnerin - hier in S. - zu erheben sei.

Die teilweise vertretene Ansicht, für die negative Feststellungsklage sei das Gericht zuständig, das für die Leistungsklage umgekehrten Rubrums zuständig wäre (sogenannte Spiegelbildformel), könne nicht überzeugen.

Sie führe zu einer Umgehung der allgemeinen Zuständigkeitsregelung. Grundsätzlich sei die Leistungsklage am Wohnort oder Sitz der Beklagten zu erheben. Auch werde im Rahmen des Feststellungsantrages inzident geprüft, ob sich der streitgegenständliche Darlehensvertrag durch den fristgerechten...

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