Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung als Mangel beim Gebrauchtwagenkauf
Leitsatz (amtlich)
Liegt zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung und Erstzulassung ein Zeitraum von 19 1/2 Monaten, stellt dieser Umstand beim Kauf eines in dem Zeitraum ab dem "lt. Fzg.-Brief" mitgeteilten Erstzulassungszeitpunkt von 2 Jahren und 4 Monaten offenbart über 38616 km als Mietfahrzeug genutzten Gebrauchtwagens kein den Käufer zum Rücktritt berechtigender Mangel dar (Revision zugelassen und eingelegt: BGH VIII ZR 191/15).
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 437
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Göttingen vom 27.11.2014 - 4 O 214/13 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über den vom Kläger bei der Beklagten zu einem Preis von 33.430,00 EUR gekauften gebrauchten PKW Audi A4 Avant TDI. Im Streit steht insbesondere, ob das Fahrzeug dadurch, dass seit seiner Herstellung bis zu seiner Erstzulassung 19½ Monate verstrichen sind, mangelhaft ist und ob etwaige Gewährleistungsansprüche des Klägers verjährt sind.
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU S. 3-8 = Bl. 107-112 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Klage sei zulässig. Der Kläger könne den gesamten Kaufpreis abzüglich gezogener Nutzungen an sich zurückfordern. Auch wenn die A.-Bank sich zur Sicherung des Finanzierungsdarlehens das Fahrzeug habe übereignen lassen, seien ihr die Gewährleistungsrechte aus dem verbundenen Kaufvertrag ausweislich des Darlehensvertrages nicht abgetreten worden. Der Kläger sei daher berechtigt, die Gewährleistungsrechte im eigenen Namen geltend zu machen. Bei der Zahlung des Kaufpreises durch die A.-Bank an die Beklagte habe es sich um eine Leistung des Klägers gehandelt. Lediglich hinsichtlich der begehrten Zug-um-Zug-Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses habe der Kläger einer Ermächtigung durch die A.-Bank bedurft. Diese sei ihm mit der "Prozessstandschaftsvollmacht" (vgl. Bl. 5 f. Anlagenband Kl.) zumindest konkludent erteilt worden. Ein schützenswertes Eigeninteresse des Klägers sei im Hinblick auf die Rückgabe und Rückübereignung gegeben, da er ohne dieses Angebot die Rückabwicklung des Vertrages nicht verlangen könne.
Die Klage sei zudem begründet. Der Kläger sei wirksam von dem mit der Beklagten geschlossen Vertrag zurückgetreten. Das Fahrzeug habe im Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel aufgewiesen, da es nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufgewiesen habe. Es gehöre zur vereinbarten Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, dass das Baujahr des Fahrzeugs nicht mehr als zwölf Monate von dem im Vertrag angegebenen Jahr der Erstzulassung abweiche. Dies gelte auch bei einem Kauf eines Gebrauchtwagens. Die Rechtsprechung des BGH zu Neu- und Jahreswagen, wonach eine lange Standdauer von über zwölf Monaten einen wertmindernden Faktor darstelle, sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Eine Abweichung von 19 Monaten zwischen dem Datum der Herstellung und dem Datum der Erstzulassung entspreche nicht dem, was der Kläger habe erwarten müssen. Der Kläger habe ein Fahrzeug mit einem Alter von zwei Jahren und vier Monaten erwerben wollen; hierbei handele es sich um einen verhältnismäßig "jungen" Gebrauchtwagen von beachtlichem Wert. Hinzu komme, dass während dieser Standzeit ein "Modellwechsel" stattgefunden habe, so dass der Kläger zudem ein Modell erworben habe, dass im Zeitpunkt der Erstzulassung nicht mehr gebaut worden sei. Auch dieser Modellwechsel stelle einen wertbildenden Faktor von wesentlicher Bedeutung dar. Die lange Standdauer und der Modellwechsel führten dazu, dass das Fahrzeug nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen habe. Bei dem Kaufvertrag und dem Darlehensvertrag handele es sich um verbundene Verträge i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB, was zur Folge habe, dass der Kläger die Darlehensvaluta an sich heraus verlangen könne und lediglich für die Rückübertragung des Eigentums an dem Fahrzeug der Zustimmung der A.-Bank bedürfe. Der gezahlte Kaufpreis sei um einen Nutzungsersatz von 0,15 EUR pro gefahrenem Kilometer, mithin 1.259,55 EUR, zu kürzen. Der Einwand der Beklagten, der Kläger könne zumindest bzgl. der Schlussrate in Höhe von 11.771,07 EUR keine Rückzah...