Leitsatz (amtlich)
Missachtet der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an die Aufstellung der Leistungsbeschreibung nach § 9 VOB/A, sind dennoch alle Erschwernisse vom Vertrag umfasst, mit denen nach dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters gerechnet werden musste. Kann der Auftragnehmer die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung bzw. des Leistungsverzeichnisses erkennen, so kann er später keine veränderte Vergütung verlangen.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 11.12.2012; Aktenzeichen 7 O 2778/10 (408)) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Braunschweig vom 11.12.2012 - 7 O 2778/10 (408) - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 98.307,28 EUR festgesetzt (Klage: 65.966,83 EUR; Widerklage: 32.340,45 EUR).
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Abbruch- und Entsorgungsleistungen auf Zahlung restlichen Werklohnes in Anspruch. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Erstattung von Kosten für die Erstellung einer neuen Schlussrechnung und den Ersatz von Mehrkosten, die ihr infolge der Auftragsentziehung wegen Arbeitseinstellung der Klägerin entstanden sind.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU, Seite 2 bis 6, Bl. 201 bis 205 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung, hat es zur Begründung ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer restlichen Vergütung in Höhe von 123.415,42 EUR aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages über Abbruch- und Entsorgungsleistungen vom 12.11./10.12.2009.
Eine Änderung der Bauausführung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B, die eine Mehrvergütung in Höhe von 27.826,00 EUR rechtfertige, liege nicht vor. Es fehle an einer Veränderung der Preisgrundlagen des Vertrages. Die Vertragsgrundlage gewordene Leistungsbeschreibung sei unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen TRGS 519 auszulegen. Danach habe die Klägerin bei der Kalkulation ihres Angebotes nicht davon ausgehen dürfen, dass für die Beförderung des asbesthaltigen Porenbetons Schüttrutschen verwendet werden dürften. Der Sachverständige K. habe in seinem Gutachten vom 30.07.2012 ausgeführt, dass die Verwendung von Schüttrutschen beim Abbruch asbesthaltigen Porenbetons unzulässig sei. Die Verwendung von Schüttrutschen zum Abtransport derartigen Materials widerspreche den Vorgaben der TRGS 519. Die Klägerin sei in ihrem Vertrauen auf den Text der Ausschreibung in Ziffer 1.1.300 des Leistungsverzeichnisses daher nicht geschützt. Sie habe den von ihr angebotenen Einheitspreis von vornherein so kalkulieren müssen, dass das Porenbetonabbruchmaterial in so genannten Big Bags verpackt und durch geeignete Lastaufnahmemittel von der Arbeitsebene auf den Boden befördert und dort zur Entsorgung bereitgestellt würde. Selbst wenn man von einer Lückenhaftigkeit oder Unklarheit des Leistungsverzeichnisses hinsichtlich der Art des Abtransportes ausgehen würde, so hätte die Klägerin diese Unklarheit im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens vor Abgabe ihres Angebotes aufklären müssen. Aus den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis unter Punkt 3. ergebe sich, dass das ausführende Unternehmen die alleinige Verantwortung für die Richtigkeit und ausreichende Bemessung der gewählten Konstruktion und Hilfskonstruktion übernehme. Unter Position 3.5 sei zudem geregelt, dass der Bieter mit der Abgabe seines Angebotes die Gewähr dafür übernehme, dass dieses Angebot alles enthalte, was zur Erstellung des betreffenden Gewerkes gehöre. Die Klägerin habe auf bestehende Bedenken gegen den Inhalt des Leistungsverzeichnisses bei Abgabe ihres Angebotes jedoch nicht hingewiesen.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf die Vergütung von Mehrmassen gegenüber der Ausschreibung in Position 1.2.30 des Leistungsverzeichnisses gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B. Es fehle bereits an einer substantiierten Darlegung der abgerechneten Mehrmassen unter Berücksichtigung der VOB/C. Gemäß der DIN 18459 Abschnitt 5.1.1. VOB/C seien der Abrechnung die Maße der abzubrechenden Bauteile und technischen Anlagen zugrunde zu legen und nicht die Menge des entsorgten losen Materials. Soweit die Klägerin behaupte, dass ein Aufmaß vor Ort wegen der unterschiedlichen Stärken des belasteten Porenbetons und des belasteten Putzes nicht möglich gewesen se...