Verfahrensgang
LG Braunschweig (Aktenzeichen 8 O 6183/20 (224)) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 26. August 2021 - 8 O 6183/20 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Braunschweig vom 18. März 2021 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 6.041,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Februar 2021 zu zahlen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 12.082,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zwecks Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für noch 18 Verkehrs-unfälle.
Der Hergang der Verkehrsunfälle und die daraus folgende Alleinhaftung der Versicherungsnehmer der Beklagten ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte wendet sich aber gegen die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Es sei nicht erforderlich gewesen, vorgerichtlich einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Klägerin sei regelmäßig und häufig mit Schadensfällen und deren Abwicklung befasst. Es könne ihr zugemutet werden, ein Sachverständigengutachten einzuholen und die Kosten gegenüber dem regulierungspflichtigen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer zu beziffern. Daneben bestreitet die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin.
Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung der Klageforderungen mit Rückzahlungsansprüchen wegen - nach ihrer Rechtsauffassung- überzahlter Reparaturkosten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstoße die Geschädigte gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht, wenn sie Rabatte, wie zum Beispiel einen bestehenden Großkundenrabatt, bei der Schadensabrechnung nicht reparaturkostenreduzierend berücksichtige. Es sei hier davon auszugehen, dass die Klägerin, insbesondere im Hinblick auf ihre Ausrichtung und Unternehmensgröße, im Bereich der Fahrzeugreparatur einen auf Vereinbarungen mit dem regionalen Markt basierenden Großkundenrabatt von üblicherweise 20 % für sich in Anspruch nehme. Die klägerseits begehrten Reparaturkosten bzw. die tatsächlich erforderlichen Reparaturkosten würden sich daher um 20 % reduzieren. Diese Rabattmöglichkeit nutze die Klägerin nicht und verstoße damit gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 - 8 = Bl. 209R - 212R d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 6.041 EUR aus §§ 7 StVG, 249 ff. BGB 115 VVG aufgrund der streitgegenständlichen Verkehrsunfälle. Es sei in diesen Fällen nicht erforderlich gewesen, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber der Beklagten einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei darauf abzustellen, wie sich die voraussichtliche Abwicklung der jeweiligen Schadensfälle aus Sicht der Klägerin dargestellt habe. Wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und die Haftung von vornherein dem Grunde und der Höhe nach derart klar sei, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen könne, dass der Schädiger als Haftpflichtversicherer ohne weiteres seiner Einstandspflicht nachkommen werde, sei die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich.
Bei den streitgegenständlichen Fällen handele es sich durchgehend um solche, bei denen der Fahrer oder die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs ohne weiteres die jeweiligen Unfälle alleine verursacht und verschuldet habe. Die Eintrittspflicht der Beklagten sei deshalb zweifelsfrei gewesen. Es sei in jedem Einzelfall um eklatante und evidente Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gegangen. Es habe der entsprechend qualifizierten Klägerin klar sein müssen, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestanden habe, dass die Beklagte ihrer Ersatzpflicht nachkommen würde. Der Argumentation der Klägerin, bei Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten auf Basis eines Sachverständigen sei so gut wie immer mit Einwendungen zu rechnen, weswegen es sich bei diesen Fällen nie um einfach gelagerte Fälle handele, folge die Kammer nicht. Das Argument sei schon dadurch widerlegt, dass die Beklagte im vorliegenden Verfahren in einer Vielzahl von Fällen ohne Einwendungen vollständig reguliert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen (S. 8 - 12 = Bl. 212R - 215R d.A.).
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit dem am 30. September 2021 bei Gericht eingegangenen (Bl. 225 d.A.) Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt, die sie nach a...