Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten
Leitsatz (redaktionell)
Weisen die Erben den Anwalt zur Fortsetzung des Rechtsstreits an, so stellen diese auch ohne Erneuerung des vom Erblasser erteilten Anwaltsauftrages eine Mehrheit von Auftraggebern i.S.d. § 6 BAGebO dar.
Normenkette
BRAGO § 6
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 30.03.1992; Aktenzeichen 9 O 331 1/1991 c) |
Tenor
Die als Beschwerde geltende Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Bremen vom 30. März 1992 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Erinnerung beträgt 11.479,91 DM.
Gründe
Die nach Vorlage an den Senat als Beschwerde geltende Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers des Landgerichts vom 30.3.1992 ist zulässig (§ 11 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 4 und 5, Abs. 4 RpflG, § 567 Abs. 2 ZPO); sie ist jedoch unbegründet.
Die Erinnerung richtet sich gegen die Berücksichtigung der von den kostenerstattungsberechtigten Beklagten in Ansatz gebrachten Erhöhung der Prozeßgebühr für ihren Prozeßbevollmächtigten um 9/10 (= 11.479,91 DM inklusive Mehrwertsteuer). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGebO angefallen und damit auch erstattungsfähig (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten ist bei deren Vertretung i.S.v. § 6 BRAGebO für 4 Auftraggeber, nämlich für die vier Beklagten, tätig geworden, so daß er eine auf 19/10 erhöhte Prozeßgebühr verdient hat.
Bilden die Beklagten – wie hier – untereinander eine Erbengemeinschaft, so steht dies der Annahme, daß sie hinsichtlich des eine Nachlaßverbindlichkeit betreffenden Passivprozesses gleichwohl eine Mehrheit von Auftraggebern sein können, grundsätzlich nicht entgegen. Dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten und entspricht der zumindest ganz herrschenden, wenn nicht einhelligen Rechtsprechung, wie der Meinungsstand zu der im folgenden behandelten Streitfrage zeigt. Umstritten ist in der Rechtsprechung und Literatur, ob dies auch in dem Falle gilt, daß ein zunächst noch gegen den Erblasser geführter Rechtsstreit von dessen Erben fortgesetzt wird. Während die früher herrschende, heute jedoch nur noch von einer Minderheit vertretene Ansicht, auf die sich auch die Klägerin beruft, dahin geht, daß der Anwalt wegen des über den Tod des Auftraggebers hinaus unveränderten Fortbestandes des noch vom Erblasser erteilten Anwaltsauftrages weiterhin nur einen Auftraggeber habe, auch soweit er den Rechtsstreit auf Weisung der Erben für diese fortsetze (so OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 795; OLG Frankfurt AnwBl 1981, 401; dasselbe in JurBüro 1982, 1346; OLG Bamberg JurBüro 1978, 1179; Baumbach/Hartmann, Kostengesetze, 24. Aufl., BRAGebO § 6 Anm. 2 B „Erbengemeinschaft”; Mümmler JurBüro 1982, 189, 190), nimmt die inzwischen ganz überwiegende Meinung an, daß dann, wenn die Erben den Anwalt zur Fortsetzung des Rechtsstreits anweisen, sie auch ohne Erneuerung des vom Erblasser erteilten Anwaltsauftrages eine Mehrheit von Auftraggebern i.S.d. § 6 BRAGebO darstellen (so OLG München JurBüro 1985, 1651; OLG Köln JurBüro 1986, 1663, 1964; OLG Hamm JurBüro 1989, 192; OLG Hamburg MDR 1989, 830; OLG Schleswig JurBüro 1989, 1391; OLG Stuttgart MDR 1990, 1126; OLG Saarbrücken JurBüro 1990, 1612; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGebO 11. Aufl. § 6 Rdnr. 9; Riedel/Sußbauer/Fraunholz BRAGebO 6. Aufl. § 6 Rdnr. 14; Swolana/Hansens, BRAGebO 7. Aufl. § 6 Rdnr. 6).
Der Senat schließt sich der letzteren Ansicht an. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob unter dem Auftraggeber i.S.d. § 6 BRAGebO derjenige zu verstehen ist, zu dem ein Auftragsverhältnis des Anwalts begründet ist, also der Vertragspartner des Anwalts hinsichtlich des Anwaltsvertrages, oder derjenige, dessen Interessen der Anwalt aufgrund des ihm erteilten Auftrages wahrzunehmen hat, oder aber sowohl der eine als auch der andere (ebenso offenlassend BGH NJW 1987, 2240). Die Beklagten erfüllen als Erbengemeinschaft nämlich beide Kriterien. Sie sind als Partei des Rechtsstreits nicht nur diejenigen, deren Interessen ihr Prozeßbevollmächtigter nach dem ihm noch vom verstorbenen früheren Beklagten erteilten Anwaltsauftrag nach Eintritt des Erbfalls wahrzunehmen hatte; vielmehr sind sie durch die Erbfolge auch seine Vertragspartner auf der Auftraggeberseite des fortbestehenden Anwaltsauftrages geworden (vgl. MüKo/Seiler, BGB 2. Aufl. § 672 Rdnr. 5; OLG Stuttgart, a.a.O.). Soweit der Anwalt auf Wunsch der Erben seine Tätigkeit fortsetzt, ist deshalb nicht entscheidend, daß er bei der Auftragserteilung, wie auch bis zum Versterben des Erblassers, nur einen Auftraggeber hatte, sondern, daß ihm aufgrund des noch vom Erblasser erteilten Auftrages mit dem Erbfall nunmehr auf der Auftraggeberseite die Erbengemeinschaft als eine Mehrheit von Auftraggebern gegenübersteht. Setzt er – wie im vorliegenden Fall – den Rechtsstreit auf deren Weisung fort, wird er – nicht anders, als wenn er von vornherein von der Erbengemeinschaft beauftragt worden wäre – ...