Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des zuständigen Gerichts, keine Streitgenossenschaft zwischen aus fahrlässiger Amtspflichtverletzung in Anspruch genommen Notar und anderweitig ersatzpflichtigem Dritten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Notar wegen fahrlässiger Verletzung seiner Amtspflichten neben einem möglicherweise anderweitig ersatzpflichtigen Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, ist schon die Entstehung eines solchen Anspruchs gegen den Notar und damit auch die Begründung eines Gesamtschuldverhältnisses mit dem Dritten ausgeschlossen, solange eine solche Ersatzmöglichkeit gegen den Dritten in Betracht kommt.

2. Die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheidet in einem solchen Fall mangels Bestehen einer Streitgenossenschaft aus.

 

Normenkette

BNotO § 19 Abs. 1 S. 2; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 1073/11)

 

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Bestimmung des zuständigen

Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Kläger nehmen die Beklagte zu 1) als Maklerin und den Beklagten zu 2) als beurkundenden Notar als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch. Sie behaupten, dass ihnen von der Beklagten zu 1) ein Grundstück zum Kauf vermittelt worden sei, das sie, die Kläger, selbst gewerblich haben nutzen wollen. Die beabsichtigte Art der Nutzung sei beiden Beklagten bekannt gewesen. Tatsächlich sei das Objekt durch eine Option, die der Mieter ausgeübt habe, aber langfristig vermietet. Darauf seien sie, die Kläger, aber weder von der Beklagten zu 1) noch vom Beklagten zu 2) hingewiesen worden. Aus diesem Grunde sei die Immobilie für den vorgesehenen Zweck nicht nutzbar gewesen, weswegen das Grundstück wieder verkauft worden sei. Den dabei entstandenen, näher dargelegten Schaden von EUR 11.800 verlangen die Kläger von den Beklagten erstattet. Die Beklagten haben ihre allgemeinen Gerichtsstände in unterschiedlichen Gerichtsbezirken: die Beklagte zu 1) im Bezirk des LG Stuttgart, der Beklagte zu 2) im Bezirk des LG Bremen.

2. Der Antrag der Kläger auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, der hier für die Bestimmung der Zuständigkeit allein in Betracht kommenden Vorschrift, liegen nicht vor. Die Kläger haben das Bestehen einer Streitgenossenschaft der Beklagten (§§ 59, 60 ZPO) nicht schlüssig vorgetragen.

Die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinsamer Gerichtsstand nicht besteht. Zwar überprüft das bestimmende Gericht in diesem Rahmen nicht die Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage. Zum Prüfungsumfang gehört aber die Frage, ob die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO schlüssig vorgetragen sind; anderenfalls scheidet eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus (vgl.

OLG Bremen, Beschluss vom 2.8.2011, 3 AR 6/11; BayObLG NJW-RR 2006, 210, 211; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 18; Prütting/Gehrlein/Lange, ZPO, 3. Aufl., § 36 Rz. 5, jeweils m.w.N.).

Hier ist eine Streitgenossenschaft zwischen der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) schon deswegen nicht schlüssig vorgetragen, weil einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten, die eine Streitgenossenschaft begründen könnte, die Subsidiaritätsklausel des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO entgegen steht. Nach dieser Vorschrift, die inhaltlich § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entspricht, kann der Notar, wenn ihm - wie hier - lediglich Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird, bei einer Amtspflichtverletzung nur in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ist negative Anspruchsvoraussetzung (Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO, 3. Aufl., § 19 Rz. 35). Solange eine solche Ersatzmöglichkeit in Betracht kommt, ist schon die Entstehung eines Anspruchs gegen den Notar und damit die Begründung eines Gesamtschuldverhältnisses mit dem gegebenenfalls anderweitig ersatzpflichtigen Dritten ausgeschlossen (vgl. zu § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB: BGH NJW 1984, 2097; Münch.-Komm./Papier, BGB, 5. Aufl., § 839 Rz. 5; Beck-OK/Reinert, BGB, Ed. 20, § 839 Rz. 88, jeweils m.w.N.).

Nach dem insoweit schlüssigen Vortrag der Kläger kommt hier ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) als anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO in Betracht. Die Kläger stützen ihre Klage u.a. darauf, dass die Beklagte zu 1) die ihr als Maklerin obliegenden Auskunftspflichten verletzt habe. Ein Amtshaftungsanspruch gegen den ebenfalls wegen behaupteter Auskunfts- bzw.

Belehrungspflichtverletzung beklagten Notar kann deshalb erst dann entstehen, wenn feststeht, dass diese anderweitige Ersatzmöglichkeit gegen die Beklagte zu 1) nicht gegeben bzw. nicht durchsetzbar ist. Eine...

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