Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktanspruch nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG n.F. bei Insolvenz des Versicherungsnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Sind bei der Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO nicht schlüssig vorgetragen, scheidet eine Zuständigkeitsbestimmung aus.
2. Im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers besteht ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer aus § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG n.F. nur bei Vorliegen einer Pflichtversicherung.
Normenkette
VVG n.F. § 115 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen 8 C 33/10) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 und 2 ZPO wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Der Kläger macht mit seiner beim AG Bremen gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Klage materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung an seinem Fuß geltend, die er nach Entfernung eines Tattoos durch die Beklagte zu 1) erlitten haben will. Die Beklagte zu 1) unterhält bei der Beklagten zu 2) eine Betriebshaftpflichtversicherung. Nachdem über das Vermögen der Beklagten zu 1) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat der Kläger durch Schriftsatz vom 3.11.2010 die Klage gegen die Beklagte zu 2) mit der Begründung erweitert, dass er infolge der Insolvenz der Beklagten zu 1) einen Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2) habe. Die Beklagten haben ihre allgemeinen Gerichtsstände in unterschiedlichen Gerichtsbezirken: die Klägerin zu 1) im Bezirk des AG Bremen, die Beklagte zu 2) im Bezirk des AG Köln. Der Kläger hat beim OLG Bremen beantragt, das AG Bremen als für den Rechtsstreit zuständiges Gericht zu bestimmen.
2. Der Antrag des Klägers auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, der hier für die Bestimmung der Zuständigkeit allein in Betracht kommenden Vorschrift, liegen nicht vor.
Die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinsamer Gerichtsstand nicht besteht. Zwar überprüft das bestimmende Gericht in diesem Rahmen nicht die Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage. Zum Prüfungsumfang gehört aber die Frage, ob die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO schlüssig vorgetragen sind; anderenfalls scheidet eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus (vgl. BayObLG NJW-RR 2006, 210, 211; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 18; Prütting/Gehrlein/Lange, ZPO, 2. Aufl., § 36 Rz. 5, jeweils m.w.N.). Hier ist eine Streitgenossenschaft zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) schon deswegen nicht schlüssig vorgetragen, weil entgegen der Auffassung des Klägers ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2) aus § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG nicht besteht.
Nach § 115 Abs. 1 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer u.a. dann geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG) oder wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG). Zwar befindet sich die Beklagte zu 1) in der Insolvenz. Entgegen der Auffassung des Klägers findet jedoch § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG nur im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen und nicht - wie hier - bei einer freiwilligen Betriebshaftpflichtversicherung Anwendung.
Aus der Gesetzesbegründung und der systematischen Stellung des § 115 VVG im Teil 2, Kapitel 1, Abschnitt 2 "Pflichtversicherung" des VVG ergibt sich, dass § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG nur auf Pflichtversicherungen und nicht auf freiwillige Haftpflichtversicherungen Anwendung findet. Der Grund für die Einräumung des Direktanspruchs ist darin zu sehen, dass eine Pflichtversicherung immer zumindest auch im Interesse der Geschädigten aus Gründen des Opferschutzes angeordnet wird, um ihnen im Rahmen der Mindestversicherungssummen einen verhandlungs- und zahlungsbereiten, weitgehend insolvenzsicheren Schuldner zu sichern. Die Einräumung eines Direktanspruchs gegen den Pflichtversicherer soll die Durchsetzung des Anspruchs für die Geschädigten erleichtern (vgl. Amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum Versicherungsvertragsreformgesetz vom 20.12.2006, BT-Drucks. 16/3945, 50, 88 f.; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 21.8.2010 - 4 O 2987/09). Außerhalb der Pflichtversicherung sah der Gesetzgeber keinen Anlass, einen Direktanspruch des Geschädigten zu statuieren, weil eine nicht obligatorische Haftpflichtversicherung vom Versicherungsnehmer ausschließlich deshalb a...