Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wegen unterlassener Mitteilung einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tritt bereits kurze Zeit nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eine Verbesserung der Einkommensverhältnisse ein (hier: Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Sozialleistungsbezug im Bewilligungszeitpunkt) und wird dies dem Gericht nicht unverzüglich mitgeteilt, rechtfertigt das den Schluss auf grobe Nachlässigkeit.

2. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter wird durch fehlende Sprachkenntnisse nicht von seiner Verpflichtung frei, dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner wirtschaftlichen Lage unverzüglich mitzuteilen.

3. Die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung wegen unterlassener Mitteilung einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse setzt nicht voraus, dass diese zu einer Änderung der Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe geführt hätte.

 

Normenkette

FamFG § 76; ZPO § 120a Abs. 2, § 124 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Aktenzeichen 64 F 589/22)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 22.2.2024 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das Familiengericht hat dem Antragsgegner, der seinerzeit Leistungen nach dem SGB II bezog, auf dessen unter Beifügung der von ihm unter dem 11.4.2022 ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 14.4.2022 beim Familiengericht gestellten Antrag mit im Erörterungstermin vom 24.5.2022 verkündetem Beschluss unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die vorliegende Gewaltschutzsache bewilligt.

Im Überprüfungsverfahren nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO i.V. mit § 76 FamFG hat das Familiengericht den Antragsgegner mit Schreiben vom 17.1.2024 zur Abgabe einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert. Diese, erstellt unter dem 25.1.2024, hat der Antragsgegner am 5.2.2024 beim Familiengericht unter Beifügung einer Gehaltsabrechnung für Dezember 2023 eingereicht, die einen Netto-Verdienst von 1.777,92 EUR und als Datum des Eintritts des Antragsgegners in das Beschäftigungsverhältnis den 15.7.2022 ausweist.

Unter dem 6.2.2024 hat das Familiengericht dem Antragsgegner den Hinweis erteilt, dass die unterlassene Anzeige der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einen Grund für die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung darstelle, und ihm hierzu rechtliches Gehör gewährt. Daraufhin hat der Antragsgegner am 19.2.2024 unter Beifügung zusätzlicher Unterlagen eine weitere Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, erstellt unter dem 23.2.2024, beim Familiengericht eingereicht.

Dieses hat mit Beschluss vom 22.2.2024 die unter dem 24.5.2022 zugunsten des Antragsgegners erfolgte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe aufgehoben. Gegen diese Entscheidung wendet sich - mit dem Ziel ihrer Aufhebung - der Antragsgegner mit seiner am 1.3.2024 beim Familiengericht eingelegten sofortigen Beschwerde.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 13.3.2024 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO, 11 RpflG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe aufgehoben werden, wenn der Beteiligte entgegen § 120 a Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder die Änderung seiner Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten ist, ob sich das Verschuldenserfordernis (Absicht oder grobe Nachlässigkeit) in § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO lediglich auf den Fall der unterlassenen Mitteilung der Anschriftenänderung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4, 2. Fall ZPO oder auch auf die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe wegen unterlassener Mitteilung der Verbesserung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse nach § 124 Abs. 1 Nr. 4, 1. Fall ZPO erstreckt, folgt der Senat der überwiegenden Auffassung, nach der sich die Worte "absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit" auch auf die nicht unverzügliche Mitteilung einer Einkommens- oder Vermögensverbesserung beziehen, so dass für eine auf ein diesbezügliches Versäumnis begründete Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe das Verschuldenserfordernis der Absicht oder zumindest der groben Nachlässigkeit erfüllt sein muss (vgl. OLG Frankfurt, MDR 2019, 1476; OLG Düsseldorf, FamRZ 2023, 789; Musielak/Voith/Fischer, ZPO, 20. Aufl., § 124 Rn. 8a).

Der Maßstab der groben Nachlässigkeit entspricht dem der groben Fahrlässigkeit und liegt vor, wenn der bedürftige Beteiligte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlic...

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