Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Zusatzklage zur Nachforderung des Unterschiedsbetrags zwischen im Vorprozess zugesprochenen zu niedrigen Unterhalt und geschuldeten vollen Betrag; richtige Klageart; Abänderungsvoraussetzungen für Urteilskorrektur
Leitsatz (amtlich)
Der Unterhaltsberechtigte, der in einem Vorprozess einen hinter seinem vollen Unterhalt zurückbleibenden Unterhalt geltend gemacht und zugesprochen erhalten hat, kann seinen vollen Unterhaltsanspruch nicht im Wege einer Zusatzklage, sondern nur im Wege einer Abänderungsklage durchsetzen, und zwar dann, wenn sich der Unterhaltsanspruch, der dem Unterhaltsberechtigen nach der Entscheidung im Vorprozess an sich zustand, wegen veränderter Verhältnisse wesentlich erhöht.(Rz. 7)
Normenkette
BGB § 1601; ZPO §§ 258, 323 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Beschluss vom 19.01.2010) |
Tenor
Dem Beklagten wird auf seine sofortige Beschwerde unter Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Bremerhaven vom 19.1.2010 Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt und Rechtsanwalt K. beigeordnet.
Gründe
I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Seit der Trennung leben die gemeinsamen Kinder der Parteien bei der Klägerin. Die Klägerin hat den Beklagten bereits im Jahr 2008 auf Unterhalt für die Kinder in Anspruch genommen. Mit ihrer im August 2008 beim Familiengericht Bremerhaven eingereichten Klage hat sie für die Kinder den Mindestunterhalt geltend gemacht und hierfür zunächst Prozesskostenhilfe begehrt. Das Familiengericht hat daraufhin der Klägerin durch Beschluss vom 5.11.2008 nur eingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt, und zwar für die Inanspruchnahme des Beklagten auf monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. insgesamt 232 EUR (90 EUR für S. und jeweils 71 EUR für J. und N.). Dementsprechend hat die Klägerin dann mit Schriftsatz vom 11.11.2008 die Klage rechtshängig gemacht. In der mündlichen Verhandlung von 10.2.2009 hat das Familiengericht die Parteien darauf hingewiesen, dass jedenfalls mit Wirkung ab 1.3.2009 ein höherer Unterhaltsanspruch der Kinder gerechtfertigt sei. Daraufhin hat die Klägerin noch im Termin der Berechnung des Familiengerichts folgend beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie ab dem 1.3.2009 für die drei Kinder einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. insgesamt 380 EUR (140 EUR für S. und jeweils 120 EUR für J. und N.) zu zahlen.
Durch Urteil vom 1.3.2009 hat das Familiengericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat das Familiengericht von dem ermittelten monatlichen Einkommen des Beklagten von 1.759,14 EUR netto diverse monatliche Belastungen abgezogen, so dass noch 1.417 EUR verblieben. Unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts von 900 EUR hat das AG den für den Unterhalt der Kinder zur Verfügung stehenden Betrag mit 516 EUR errechnet. Da die Klägerin aber lediglich insgesamt 380 EUR monatlich beantragt hatte, hat das Familiengericht der Klägerin auch nur diesen Betrag zugesprochen.
Im Mai 2009 hat die Klägerin beim Familiengericht Bremerhaven erneut Klage eingereicht, mit der sie von dem Beklagten über die durch Urteil des Familiengerichts vom 1.3.2009 zugesprochenen Unterhaltsbeträge hinaus weiteren Unterhalt für die Kinder begehrt, und zwar monatlich für S. weitere 57 EUR, und für die Kinder J. und N. jeweils weitere 39 EUR, mithin weitere 135 EUR. Dem darauf gerichteten Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin hat das Familiengericht durch Beschluss vom 30.7.2009 in vollem Umfang stattgegeben. Den vom Beklagten zur Rechtsverteidigung gestellten Prozesskostenhilfeantrag hat das Familiengericht durch Beschluss vom 19.1.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im vorausgegangenen Verfahren der Unterhalt unstreitig zu niedrig berechnet worden sei. Allen Beteiligten sei seinerzeit bewusst gewesen, dass die Klägerin den sich aus dem Einkommen des Beklagten ergebenden Unterhalt für die Kinder verlange und nicht auf einen Teil des Unterhalts verzichten wolle. Unter diesen Umständen stelle sich das Verhalten des Beklagten als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin gem. § 826 BGB dar. Es liege ein Fall eines Urteilsmissbrauchs vor. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Beschwerde.
II. Die gem. § 127 II S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet, da seine Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO bietet.
1. Entgegen der Annahme des Familiengerichts liegt hier ein Fall eines Urteilsmissbrauchs durch den Beklagten nicht vor. Ein Urteilsmissbrauch i.S.d. § 826 BGB ist dann gegeben, wenn die Art der Erlangung eines materiell unrichtigen Urteils oder dessen Ausnutzung es geboten erscheinen lassen, dass der Gläubiger des Titels die ihm nach materiellen Recht unverdient zugefallene Rechtsposition aufgibt (vgl. BGH FamRZ 2002, 1547, 1550). Da die Klägerin, nicht aber der Beklagte Inhaber des Unterhaltstitels ist, scheidet ein Missbrauch des Titels durch den Beklagten denknotwe...