Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer "nahen Todesgefahr" i.S.d. § 2250 Abs. 2 BGB bei der Errichtung eines sog. Drei-Zeugen-Testaments
Leitsatz (amtlich)
Von einer "nahen Todesgefahr" i.S.d. § 2250 Abs. 2 BGB kann nicht gesprochen werden, wenn sich weder objektiv noch aus der subjektiven Sicht der Testamentszeugen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Einschaltung eines Notars nicht mehr möglich ist. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn in einer Großstadt mit über 160 Notaren ein halber Tag abgewartet werden kann, bis es zur Errichtung des sog. Drei-Zeugen-Testaments kommt.
Normenkette
BGB § 2250 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 04.06.2015; Aktenzeichen 34 VI 637/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des AG - Nachlassgericht - [...] vom 4.6.2015 (34 VI 637/13) wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Antragstellers.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 200.000,00/230.000,00 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren um die Erteilung eines Erbscheins zu Gunsten des Antragstellers.
Der am 14.05.1923 in [...] geborene kinderlose und unverheiratete Erblasser verstarb am [...] 2012 um 14:00 Uhr in [...] im Krankenhaus. Er hatte längere Zeit in England gelebt und dort eine Immobilie erworben. Anlässlich eines Türkeiurlaubs hatte er in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts den am [...] 1964 geborenen Antragsteller kennen gelernt und diesem ein Studium in England ermöglicht. In der Folge entwickelte sich zwischen beiden eine Vater-Sohn-Beziehung. Im Frühjahr 2012 erkrankte der Erblasser und erwog eine Rückkehr nach Deutschland. Dabei war zunächst offen, ob er zu dem bereits früher nach Süddeutschland umgesiedelten Antragsteller oder nach [...] ziehen würde. Im Juni 2012 entschloss sich der Erblasser, zunächst seinen Wohnsitz in [...] zu nehmen. Im Zusammenhang mit der Umsiedlung veräußerte der Erblasser seine Immobilie in England. Der Veräußerungserlös wurde auf ein in England geführtes Konto eingezahlt, für das der Erblasser und der Antragsteller verfügungsbefugt waren (Bl. 116/117/233 d.A.). Am 31.08.2012 wurde das Geld von dort auf ein Konto des Antragstellers bei der [...]-Bank in Deutschland überwiesen (B. 118 d.A.). Am 05.09.2012 eröffneten der Erblasser und der Antragsteller bei der [...]-Bank A. ein gemeinsames Girokonto, auf welches der Antragsteller am 11.09.2012 den auf seinem Konto eingegangenen Veräußerungserlös überwies (Bl. 210 ff,. 207 d.A.). Am 06.09.2012 erteilte der Erblasser dem Antragsgegner 1) in notarieller Urkunde eine Vollmacht zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten und widerrief sämtliche dem Antragsteller erteilten Vollmachten (Bl. 56 ff. d.A.). Unter dem 14.09.2012 wurde der Antragsteller durch ein Anwaltsbüro im Auftrage des Erblassers aufgefordert, den Veräußerungserlös auf ein Konto des Erblassers bei der [...]-Bank in B. zu überweisen (Bl. 84 d.A.). Dem kam der Antragsteller auch nach. Am 28.11.2012 stürzte der Erblasser in seiner Wohnung und musste sich ins Krankenhaus begeben. In der Folge kam es zu weiteren Krankenhausaufenthalten. Unter anderem bildete sich an seinem Rücken ein Abszess, der am 15.12.2012 punktiert werden musste. In diesem Zusammenhang kam es am 16.12.2012 zur Errichtung einer Urkunde, über deren Qualität die Verfahrensbeteiligten streiten. Nach dem Tode des Erblassers wurden drei letztwillige Verfügungen eröffnet:
- Zwei während des Aufenthaltes in England errichtete letztwillige Verfügungen vom 10.03.1998 und 13.03.2002. Hierbei handelt es sich um englischsprachige maschinenschriftliche Dokumente, die vom Erblasser und zwei Zeugen unterzeichnet wurden. In der ersten Verfügung bestimmte der Erblasser seinen Anwalt [...] zum "executor"/"trustee" seines letzten Willens, setzte zwei Vermächtnisse aus (antike Uhr/chinesische Vase) und ordnete an, dass der trustee seine Immobilie veräußern, aus dem Erlös seine Schulden und Beerdigungskosten begleichen und den Restbetrag an den Antragsteller auszahlen sollte. In der Verfügung von 13.03.2002 modifizierte der Erblasser die Regelungen hinsichtlich der Berufung des trustees (BA Bl. 74/75).
- Ein als "Testament" überschriebenes, handschriftlich von der Zeugin D. geschriebenes und unterschriebenes Dokument, welches neben dem Datum "16.12.12" den Namen des Erblassers trägt. Darin widerrief der Erblasser seine bisherigen letztwilligen Verfügungen in Deutschland und England und enterbte den Antragsteller, "da er mich um mein Geld betrogen hat". Ferner setzte er die Antragsgegner zu seinen Erben ein (BA Bl. 7).
Mit seinem am 19.07.2013 beim AG [...] - Nachlassgericht - eingegangenen Antrag begehrte der Antragsteller die Erteilung eines Erbscheins, ausweislich dessen er den Erblasser allein beerbt hat.
Der Antragsteller ist der Meinung, er sei aufgrund der letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom 10.03.1998/13.0...