Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Kündigungsrechts des Versicherungsnehmers bei Prämienerhöhung für einen einzelnen Tarif eines Krankenversicherungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
Kündigt der Versicherer für einen einzelnen Tarif eines Krankenversicherungsvertrages eine Prämienerhöhung an, steht dem Versicherungsnehmer gem. § 205 Abs. 4 VVG ein Wahlrecht zu, entweder den einzelnen von der Erhöhung betroffenen Tarif oder das gesamte Versicherungsverhältnis zu kündigen.
Normenkette
VVG § 205 Abs. 1, 3-5
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 16.06.2013; Aktenzeichen 6 O 1985/12) |
Tenor
Das Urteil des LG Bremen vom 16.6.2013 wird auf die Berufung der Beklagten wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt, EUR 1.885,24 als Übertragungswert auf die Versicherung zur Nummer [...] bei der [...] Krankenversicherung AG zu zahlen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Wegen der Klageforderung wird die Revision zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht rückständige Beiträge aus einem Krankenversicherungsvertrag sowie Verzugsschadensersatz geltend. Die Beklagte hat zunächst widerklagend negative Feststellungsklage und hilfsweise Schadensersatz begehrt. In der Berufung hat sie den Feststellungsantrag in einen Leistungsantrag umgestellt.
Zwischen den Parteien bestand ein Krankenversicherungsvertrag unter Geltung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung. Der Vertrag umfasste unter einer Versicherungsnummer eine Krankheitskostenversicherung, eine Verdienstausfallversicherung sowie weitere Tarife.
Im November 2010 kündigte die Klägerin eine Beitragserhöhung an. Mit Schreiben vom 30.11.2010, welches der Klägerin spätestens am 8.12.2010 zuging, kündigte die Beklagte daraufhin den Versicherungsvertrag. Die Klägerin bestätigte unter dem 31.12.2010 lediglich die Kündigung der Verdienstausfallversicherung und widersprach der Kündigung im Übrigen. Seit dem 1.1.2011 ist die Beklagte bei der [...] Krankenversicherung AG privat krankenversichert und leistete im Jahr 2011 monatliche Prämienzahlung i.H.v. 697,72 EUR. Eine Bestätigung des Vertragsschlusses hatte die [...] AG der Beklagten bereits mit Schreiben vom 6.12.2010 übersandt.
Für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 30.9.2011 leistete die Beklagte gegenüber der Klägerin keine Prämienzahlungen. Es entstand ein Rückstand i.H.v. insgesamt 2.774,94 EUR, den die Klägerin im Mahnverfahren geltend machte.
Die Klägerin hat von der Beklagten darüber hinaus Mahnkosten und vorgerichtliche Anwaltskosten sowie einen Säumniszuschlag auf die jeweiligen Prämienforderungen und hinsichtlich einiger Tarife Verzugszinsen verlangt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass nach der Ankündigung der Beitragsanpassung nur derjenige Versicherungstarif nach § 205 Abs. 4 VVG habe außerordentlich gekündigt werden können, der von der Anpassung betroffen gewesen sei. Dies sei vorliegend nur für die Verdienstausfallversicherung der Fall gewesen, nicht aber auch für die anderen mitversicherten Tarife.
Es handele sich auch nicht um einen einheitlichen Versicherungsvertrag, der eine Teilkündigung nicht zulasse. Insbesondere sei der Tarif für die Verdienstausfallversicherung unabhängig von der Krankheitskostenversicherung abschließbar. Dies folge schon daraus, dass für den Verdienstausfallversicherungstarif die Musterbedingungen für die Krankenhaustagegeldversicherung und für die anderen abgeschlossenen Tarife die Musterbedingungen für die Krankheitskosten-und Krankenhaustagegeldversicherung gelten würden.
Die Zurückweisung der Kündigung sei unverzüglich nach Erkennen der teilweisen Unwirksamkeit und damit nicht verspätet erfolgt. Selbst wenn die Kündigung zu spät zurückgewiesen worden sei, führe dies nicht zur Beendigung des ganzen Vertrages, sondern nur zur Beendigung desjenigen Vertragsteils, für den ein außerordentliches Kündigungsrecht bestanden habe. Ferner könne eine verspätete Zurückweisung allenfalls eine Schadensersatzpflicht des Versicherers begründen. Vorliegend seien die Kosten für die Nachversicherung bei der [...] AG aber kein kausaler Schaden, da die Beklagte den neuen Versicherungsvertrag bereits vor Zugang der Kündigung bei der Klägerin abgeschlossen habe und daher die Kosten für die neue Versicherung auch bei unverzüglicher Zurückweisung angefallen wären.
Die Klägerin hat - nach Rücknahme vor Rechtshängigkeit i.H.v. 1.885,24 EUR - beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 889,70 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 349,06 EUR ab dem 16.3.2011 bis 1.2.2012 zzgl. Säumniszuschlag i.H.v. 1 % pro angefangenen Monat auf näher genannte Teilbet...