Leitsatz (amtlich)
1. Erklärt der Versicherungsnehmer gegenüber dem Krankenversicherer uneingeschränkt die Kündigung seines Versicherungsverhältnis unter Nennung der Versicherungsnummer, so ist im Wege der Auslegung der Kündigungserklärung aus Sicht eines objektiven Empfängers im Zeitpunkt ihres Zugangs zu klären, ob sich die Kündigung auf sämtliche unter der genannten Versicherungsnummer unterhaltenen Versicherungsverträge - hier Krankheitskostenversicherung und Krankentagegeldversicherung - und Tarife bezog.
2. Macht der Versicherungsnehmer von seinem Wahlrecht nicht Gebrauch, nur einzelne Verträge oder Tarife zu kündigen, folgt die Teilunwirksamkeit einer umfassend erklärten Kündigung wegen des fehlenden Nachweises eines Anschlussversicherungsverhältnisses gemäß § 205 Abs. 6 VVG unmittelbar aus dem Gesetz.
3. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung besteht für den Krankenversicherer unter Berücksichtigung der Interessenlage nach Treu und Glauben keine Veranlassung, die Kündigungserklärung des Versicherungsnehmers einschränkend auszulegen, wenn der Versicherungsnehmer in seinem Kündigungsschreiben den Nachweis eines Anschlussversicherungsverhältnisses selbst angekündigt. Dass dieses nachträglich nicht zustande gekommen ist, liegt allein im Risikobereich des Versicherungsnehmers.
4. Unter Würdigung aller Umstände handelt ein Krankenversicherer nicht treuwidrig, wenn er sich auf die wirksame Beendigung der Krankentagegeldversicherung und der Zusatztarife durch die ordentliche Kündigung des Versicherungsnehmers beruft, nachdem dieser seinerseits über einen Zeitraum von 4 Jahren die Prämien für die entsprechenden Tarife bis zu dem geltend gemachten Versicherungsfall eingespart hat.
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 23 O 74/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln (23 O 74/17) vom 10.01.2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Krankentagegeldzahlungen für den Zeitraum vom 03.10.2016 bis zum 03.06.2017 in Höhe von 20.300,00 EUR, die Zahlung von 715,20 EUR für die Inanspruchnahme eines Einbettzimmers nach dem Tarif "akut" sowie die Feststellung, dass der zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 513/066598276 die Krankenhaustagegeldversicherung und den Tarif "akut" umfasst.
Der Kläger, geb. am 27.07.1954, unterhielt bei der Beklagten seit dem 01.07.2009 neben einer privaten Krankheitskosten- und Pflegepflichtversicherung ebenfalls eine Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif ETA 42 mit einer Karenzzeit von 42 Tagen und einem Tagessatz von 100,00 EUR sowie zwei Krankheitskostenzusatztarife für Wahlleistungen nach den Tarifen central.akut und central.unfall. Auf den Inhalt des vom Kläger vorgelegten Nachtrags zum Versicherungsschein mit Vertragsstand 01.01.2012 wird Bezug genommen (Anl. K6, Bl. 21 ff.).
Wegen anhaltender Beitragserhöhungen beabsichtigte der Kläger im Jahr 2012 einen Versicherungswechsel. Er kündigte deshalb den bei der Beklagten bestehenden "Versicherungsvertrag" mit E-Mail vom 30.09.2012 zum Jahresende unter Angabe seiner Versicherungsnummer und stellte den Nachweis einer Folgeversicherung in Aussicht (Anlage K1, Bl. 6). Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 16.10.2012 (Anlage B1, Bl. 59 f.) darüber, dass die erklärte Kündigung nur teilweise wirksam sei und begründete dies damit, dass die Krankheitskostenversicherung nur beendet werden könne, sofern ein schriftlicher Nachweis über eine Anschlussversicherung eingereicht werde. Die Beendigung der Pflegepflichtversicherung sei indes nur möglich, wenn gleichzeitig die private Krankenversicherung aufgehoben werde. In ihrem Schreiben zeigte die Beklagte Nachteile auf, mit denen eine Kündigung unter anderem verbunden sei. Sie bat den Kläger, noch einmal mit seinem Kundenberater hierüber zu sprechen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 16.10.2012 Bezug genommen (Anlage B1, Bl. 59 f.).
Eine Anschlussversicherung schloss der Kläger in der Folgezeit nicht ab. Am 30.10.2012 übersandte die Beklagte deshalb einen Nachtrag zum Versicherungsschein, demzufolge nur noch die Pflegepflicht- und Krankheitskostenvollversicherung Gegenstand des Versicherungsvertrags waren (Anlage B2, Bl. 61). In ihrem Anschreiben vom 30.10.2012 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich sein Versicherungsvertrag geändert habe (Anl. B2, Bl. 61). Weitere zwischen 2012 und 2016 an den Kläger übermittelte Nachträge zum...