Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigtes Interesse eines Miteigentümers an der Einsicht in das Wohnungsgrundbuch eines anderen Wohnungseigentümers
Leitsatz (amtlich)
Ein Miteigentümer hat jedenfalls dann ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das komplette Grundbuchblatt des Wohnungsgrundbuchs eines anderen Wohnungseigentümers, wenn die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits zuvor in einem notariellen Vertrag die Auflösung der Gemeinschaft vereinbart haben.
Normenkette
GBO § 12 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen Vorstadt R 289, Blatt 3769) |
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Bremen (Grundbuchamt) vom 17.12.2019 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Beschwerdeführerin zu Händen ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts einen unbeglaubigten Grundbuchauszug für das Grundstück (Wohnungsgrundbuch) Bremen VR Bl. zu erteilen.
Gerichtskosten für die Beschwerdeentscheidung werden nicht erhoben.
Der Wert der Beschwer wird auf bis zu 1.000,-EUR festgesetzt.
Gründe
I. Unter dem 20.09.2019 beantragte die Beschwerdeführerin über ihren Bevollmächtigten einen unbeglaubigten Grundbuchauszug für das im Tenor genannte Wohnungseigentum. Eigentümer dieses Wohnungseigentums ist Herr Z. Die Beschwerdeführerin ist ebenfalls Eigentümerin einer Wohnung (eines Hauses) dieser Wohnungseigentumsanlage.
Unter dem 23.12.2010 hatten alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, bestehend aus insgesamt fünf Miteigentumsanteilen, einen notariellen Vertrag zur Aufhebung der Wohnungseigentümergemeinschaft unterzeichnet (UR-Nr. /2010 des Notars Dr. Y, Bremen). In diesem Vertrag sind sämtliche Miteigentumsanteile mit den Belastungen in Abteilung II und III der jeweiligen Grundbücher aufgeführt.
Der den Vertrag beurkundende Notar, dem auch die Vollziehung obliegt, teilte der Beschwerdeführerin unter dem 08.08.2014 mit, dass zwischen dem Abschluss des Vertrages und dem - nach Vorlage sämtlicher erforderlicher Unterlagen - beim Grundbuchamt gestellten Antrag im Grundbuch des Eigentümers Z, d.h. in dem im Tenor genannten Grundbuch, eine weitere Belastung eingetragen worden sei, die noch nicht beseitigt werden konnte.
Nach Informationen der Beschwerdeführerin soll es sich dabei um eine Bauhandwerkersicherungshypothek handeln. Bis heute sei die Vollziehung des Vertrages deshalb nicht möglich.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, sie habe ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht, um zu erfahren, wer Gläubiger dieser Belastung ist, um die Hindernisse zum Vollzug des Vertrages auszuräumen.
Der Urkundsbeamte des Grundbuchamts hat der Beschwerdeführerin unter dem 21.11.2019 mitgeteilt, dass eine Einsicht in das Grundbuch nur mit Vorlage einer Vollmacht des Eigentümers möglich sei. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Rechtsmittel eingelegt. Unter dem 17.12.2019 hat sodann die Rechtspflegerin des Grundbuchamts ebenfalls die Erteilung eines unbeglaubigten Grundbuchauszugs abgelehnt, mit der Begründung, ein berechtigtes Interesse gemäß § 12 Abs. 1 S.1 GBO sei nicht dargelegt worden. Jeder Wohnungseigentümer habe einen Auskunftsanspruch gegenüber dem jeweiligen Miteigentümer, dieser sei im Klagewege durchzusetzen und könne - da das Grundbuch nicht öffentlich sei - nicht durch eine Grundbucheinsicht umgangen werden. Das schutzwürdige Interesse des einen Eigentümers sei höher einzuschätzen als die Interessen der übrigen Eigentümer.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass ein berechtigtes Interesse gemäß § 12 Abs. 1 S.1 GBO gerade vorliege, wenn ohnehin ein Auskunftsanspruch bestehe. Auch verweist sie auf die besondere "Verknüpfung" zwischen den Wohnungseigentümern durch den Vertrag vom ...2010.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, nur weil die Gewährung der Grundbucheinsicht der "einfachere Weg" sei, könne nicht das schutzwürdige Interesse des betroffenen Eigentümers (Z) vernachlässigt werden.
II. Die gemäß § 12c Abs. 4 S.2 GBO statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt und auch begründet. Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdeberechtigt. Mit der Behauptung, die Grundbucheinsicht als Miteigentümerin zur Vollziehung der Auseinandersetzung der Wohnungseigentumsgemeinschaft zu benötigen, erscheint eine Beschwer zumindest möglich.
Gemäß § 12 Abs. 1 S.1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Auch die Erteilung eines unbeglaubigten Grundbuchauszuges ist möglich, wenn der Berechtigte ein Einsichtsrecht hat (§ 12 Abs. 2 GBO).
Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch im Sinne von § 12 Abs. 1 GBO ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispiels...