Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Anrechnung fiktiver Einkünfte aus Nebentätigkeit bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Einhaltung der an die gesteigerte Erwerbsobliegenheit im Sinne des § 1603 Abs. 2 BGB zu stellenden Anforderungen trägt der Unterhaltspflichtige die Darlegungs- und Beweislast. Insoweit ist ein umfassender Vortrag erforderlich.
2. Im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit des § 1603 Abs. 2 BGB können dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte aus einer Nebentätigkeit zugerechnet werden, soweit ihm eine solche Tätigkeit unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie gesundheitlichen Belastung mit der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten zumutbar ist.
3. Dabei ist unter anderem zu prüfen, ob es Nebentätigkeiten entsprechender Art überhaupt auf dem Arbeitsmarkt gibt und ob der Aufnahme einer solchen Tätigkeit rechtliche Hindernisse entgegenstünden, wobei auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast beim Unterhaltspflichtigen liegt.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Aktenzeichen 151 F 1520/15) |
Tenor
1. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt [...] bewilligt (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO).
2. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass die Beschwerde des Antragsgegners unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes lediglich Aussicht auf Erfolg hat, soweit er sich gegen Unterhaltsansprüche des Antragstellers für den Monat Oktober 2015 sowie höhere monatliche Unterhaltsansprüche des Antragstellers als 342 EUR für den Monat September 2015 und für den Zeitraum von November 2015 bis Dezember 2016 wendet.
Im Übrigen hat die Beschwerde des Antragsgegners bei vorläufiger Bewertung keine Erfolgsaussicht.
Gründe
I. Der am [...] 2002 geborene Antragsteller ist der nichteheliche Sohn des Antragsgegners und macht gegen diesen Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts geltend.
Der Antragsteller lebt im Haushalt der Kindesmutter. Jedes zweite Wochenende in der Zeit von Freitag 18:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr hält er sich im Rahmen von Umgangskontakten im Haushalt des Antragsgegners auf.
Der Antragsgegner hat im Zeitraum von September 2015 bis jedenfalls August 2016 monatlich 197 EUR an den Antragsteller gezahlt, mit Ausnahme des Monats November 2015, in welchem der Antragsgegner nur 100 EUR gezahlt hat.
Der am 12.02.1984 geborene Antragsgegner ist gelernter Fahrzeuglackierer und hat bis Ende Juli 2016 bei der Firma K. in B. eine vollschichtige Tätigkeit auf Basis einer 40-Stundenwoche ausgeübt, durch die er einen monatlichen Bruttolohn von 1.800 EUR erzielte, woraus sich ein monatliches Nettogehalt in Höhe von durchschnittlich 1.264,82 EUR ergab. Das Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig zum 31.07.2016 ordentlich gekündigt. Seit August 2016 bezieht der Antragsgegner Krankengeld von der [...] in Höhe von monatlich netto 1.005 EUR.
Während der Zeit seiner Tätigkeit für die Firma K. entstanden dem Antragsgegner monatliche Fahrtkosten i.H.v. unstreitig 49,50 EUR.
Der Antragsgegner wendet monatlich 120 EUR für eine der Altersvorsorge dienende Lebensversicherung auf.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn zu Händen der Kindesmutter für die Zeit ab September 2015 einen monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts zu zahlen abzüglich geleisteter Zahlungen im Zeitraum vom 01.09.2015 - 30.06.2016 in Höhe von monatlich jeweils 197 EUR. Außerdem hat der Antragsteller Verzugszinsen im Hinblick auf die in den Monaten September bis November 2015 entstandenen Rückstände geltend gemacht.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das AG hat den Antragsgegner mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.08.2016 verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 01.09.2015 bis zum 31.08.2016 in Höhe von insgesamt 1.820 EUR zu zahlen.
Es hat den Antragsgegner des Weiteren verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen dessen jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.09.2016 bis zum dritten Werktag des jeweiligen Monats monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 349 EUR zu zahlen.
Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass sich der Antragsgegner ein fiktives Nettoeinkommen i.H.v. 1.429,49 EUR zurechnen lassen müsse, woraus sich unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts von 1.080 EUR eine Leistungsfähigkeit i.H.v. 349 EUR ergebe.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner, dem der Beschluss vom 18.08.2016 am 25.08.2016 zugestellt worden ist, mit seiner am 21.09.2016 beim AG Bremerhaven eingegangenen Beschwerde.
Der Antragsgegner behauptet, er sei seit dem 20.06.2016 arbeitsunfähig erkrankt. Er ist außerdem der Auffassung, das Familiengericht habe die Anforderungen an seine Erwerbsobliegenheiten überspannt ...