Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Rechtsanwaltes für einen 14-jährigen afghanischen Jugendlichen für einen Antrag auf Abänderung der Vormundsauswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Ein 14-jähriger afghanischer Jugendlicher, der ohne seine Eltern nach Deutschland gekommen ist, ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG für ein auf die Abänderung der Vormundsauswahl gemäß § 1887 BGB gerichtetes Verfahren verfahrensfähig und kann somit sowohl einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragen als auch ein Verfahrenskostenhilfeverfahren betreiben.
2. Schon allein aufgrund des mit 14 Jahren geringen Lebensalters des Kindes ist im Regelfall von der Notwendigkeit einer Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 78 Abs. 2 FamFG für ein Verfahren nach § 1887 BGB auszugehen.
Normenkette
BGB § 1887; FamFG § § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 2; ZPO § 121 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 05.04.2016; Aktenzeichen 69 F 6850/15) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der - die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe betreffende - Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 5.4.2016 dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Rechtsanwalt [...], Bremen, als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet wird.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§§ 76 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
I. Der aus Afghanistan stammende und am [...] 2001 geborene Antragsteller ist Ende letzten Jahres nach B. gekommen. Da seine Eltern in Afghanistan verblieben sind, hat das AG - Familiengericht - Bremen auf Antrag des Jugendamtes mit Beschluss vom 11.12.2015 festgestellt, dass die elterliche Sorge der Eltern des Antragstellers ruht. Es hat die elterliche Sorge daher dem Jugendamt Bremen als Vormund übertragen. Am 18.1.2016 ist ein in Deutschland lebender Cousin des Antragstellers bei der zentralen Rechtsantragsstelle des AG Bremen erschienen und hat beantragt, ihn anstelle des Jugendamtes zum Vormund zu bestellen. Der Antragsteller selbst hat mit einem am 1.3.2016 beim AG Bremen eingegangenen Schreiben sein Einverständnis mit der Bestellung seines Cousins als Vormund erklärt. Am 7.3.2016 ist an das Jugendamt - Amtsvormundschaft - eine am 27.1.2016 erstellte Bescheinigung über die Bestellung zum Vormund für den Antragsteller abgeschickt worden. Zugleich ist auch der Antrag des Cousins des Antragstellers mit der Bitte um Stellungnahme an die Amtsvormundschaft und das Jugendamt - Casemanagement - abgeschickt worden. Am 14.3.2016 hat der Antragsteller, vertreten durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, u.a. beantragt, statt des Jugendamtes ihm seinen Cousin zum Vormund zu bestellen und ihm Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen. Mit Beschluss vom 5.4.2016 hat der Rechtspfleger des AG Bremen dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten aber abgelehnt. Dieser Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 30.5.2016 zugestellt worden. Am 30.6.2016 hat der Antragsteller gegen die Ablehnung der Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt. Dieser hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 10.8.2016 nicht abgeholfen.
II. Die statthafte (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Dem Antragsteller war der von ihm als vertretungsbereit benannte Rechtsanwalt gemäß § 78 Abs. 2 FamFG beizuordnen.
Entgegen der vom Rechtspfleger vertretenen Auffassung ist der Antragsteller im vorliegenden Verfahren gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig und kann somit sowohl einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragen als auch ein Verfahrenskostenhilfeverfahren betreiben (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Auflage, § 9 Rn. 16; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 37. Auflage, § 9 Rn. 6; Heiter, FamRZ 2009, 85 (88)).
Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sind hier erfüllt. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt der Beantragung der Bestellung seines Cousins als Vormund und der Bevollmächtigung seines Verfahrensbevollmächtigten am 14.3.2016 14 Jahre alt und somit beschränkt geschäftsfähig im Sinne des § 106 BGB. Bei einem auf Änderung der Auswahl des Vormundes gemäß § 1887 BGB gerichteten Verfahren handelt es sich um ein solches, das die Person des Minderjährigen betrifft. Dem Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, kommt gemäß § 1887 Abs. 2 BGB auch ein eigenes Antragsrecht zu (vgl. Palandt/Götz, BGB, 75. Auflage, § 1887 Rn. 4).
Obwohl das minderjährige Kind an sich weder einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit einem Anwalt schließen noch ihm Verfahrensvollmacht erteilen kann, muss bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG insofern eine beschränkte Geschäftsfähigkeit angenommen werden, als dass das Kind den Rechtsanwalt wirksam mandatieren und auch selbst Verfahrenskostenhilfe beantragen kann. Nur so ist zu erreichen, dass die dem Kind ...