Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine sofortige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung. Einräumung einer Übergangszeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 1578b II BGB lässt eine sofortige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung in der Regel nicht zu.
2. Auch bei einer Trennungszeit von rund 2 ½ Jahren mit korrespondierender Unterhaltsverpflichtung ist eine sofortige Begrenzung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung nicht möglich.
3. Dem Unterhaltsberechtigten ist eine Übergangszeit einzuräumen, die ihren Grund darin findet, dass er nach der Scheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen (BGH, FamRZ 2008, 1508, 1511).
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1578b Abs. 2; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 17.07.2008; Aktenzeichen 66 F 2758/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Bremen vom 17.7.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegnerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt, soweit sie nachehelichen Unterhalt von monatlich 464 EUR für einen Zeitraum von einem Jahr nach Rechtskraft der Scheidung begehrt.
Ihr wird Rechtsanwältin S., Berlin, zu den Bedingungen eines Bremer Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe
Die 1974 geborene Antragsgegnerin begehrt im Rahmen des Scheidungsverbunds Prozesskostenhilfe für ihren Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 464 EUR.
Die 1999 geschlossene Ehe der Parteien ist kinderlos geblieben. Seit Februar 2006 leben die Parteien getrennt. Der Scheidungsantrag wurde im Juni 2007 zugestellt. Die Antragsgegnerin ist gelernte Friseurin und arbeitete während des ehelichen Zusammenlebens der Parteien als geringfügig Beschäftigte. Der Antragsteller ist gelernter Bürokaufmann und mittlerweile arbeitslos.
Das FamG hat den Antrag der Antragsgegnerin, ihr für die Folgesache nachehelichen Unterhalt Prozesskostenhilfe zu bewilligen, abgelehnt. Zwar ergebe sich rechnerisch bei einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragstellers von 2.109 EUR (1.109 EUR Arbeitslosengeld und 1.000 EUR auf den Monat umgelegte Abfindung) und der Antragsgegnerin von (fiktiv) 1.100 EUR ein Unterhaltsanspruch. Dieser sei jedoch gem. § 1578b Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Da die Antragsgegnerin keinerlei ehebedingte Nachteile erlitten habe und in ihrem erlernten Beruf tätig sein könne, wäre eine weitere Belastung des Antragstellers unbillig.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das FamG nicht abgeholfen hat, ist begründet.
Die Antragsgegnerin hat gegen den Antragsteller einen Aufstockungsunterhaltsanspruchs jedenfalls in der beantragten Höhe. Entgegen der Auffassung des FamG ist vorliegend statt eines Ausschlusses des Anspruchs gem. § 1578b Abs. 2 BGB eine Befristung von einem Jahr angezeigt.
Unter Berücksichtigung der von dem FamG herangezogenen Einkommensbeträge wäre der von der Antragsgegnerin beantragte Unterhalt der Höhe nach gerechtfertigt, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:
mtl. Einkommen Antragsteller
Arbeitslosengeld 1.109 EUR
aus Abfindung 1.000 EUR
gesamt 2.109 EUR
mtl. Einkommen Antragsgegnerin 1.100 EUR
abzgl. 1/7 157,14 EUR
verbleibt 942,86 EUR
Unterhaltsanspruch
Einkommensdifferenz 1.166,14 EUR
Unterhaltsanspruch 583,07 EUR
beantragt 464 EUR
Auch wenn es deshalb nicht auf den mit der sofortigen Beschwerde geltend gemachten Einwand der Antragsgegnerin ankommt, das FamG habe ihren erzielbaren Nettolohn zu hoch angesetzt, erscheint dem Senat in Hinblick auf das weitere Verfahren der Hinweis geboten, dass der vom FamG zugrunde gelegte Stundenlohn von 8 EUR brutto überhöht sein dürfte. Zwar hat die Antragsgegnerin in der ersten Jahreshälfte 2007 drei Monate lang im Friseur-Salon H. einen solchen Stundenlohn erzielt. Diesen hat sie bei ihren späteren Beschäftigungen indessen nicht mehr verdienen können. Das FamG ist in seinem Beschluss vom 23.4.2007 zunächst selbst von einem erzielbaren Bruttolohn von 5,50 EUR in der Stunde ausgegangen. Bei der Frage, welchen Stundenlohn die Antragsgegnerin erreichen kann, ist zudem zu berücksichtigen, dass sie seit vielen Jahren nicht mehr durchgehend Vollzeit gearbeitet hat. Ausweislich der Tarif-Auskunft der Hans-Böckler-Stiftung wird als "Unterste Tarifvergütungen" für Bremen ein Bruttolohn von 6,57 EUR veranschlagt. Nach alledem erscheint dem Senat ein Bruttolohn von 7 EUR in der Stunde als sachgerecht. Das ergäbe bei Steuerklasse 1 einen Nettolohn von rund 896 EUR, so dass unter Hinzuziehung von Trinkgeldern ein Gesamtnettolohn von 1.000 EUR in Betracht zu ziehen wäre.
Entgegen der Auffassung des FamG ist der Aufstockungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gem. § 1578b Abs. 2 BGB nicht "ausgeschlossen". Die Norm lässt eine sofortige Begrenzung des Unterhal...