Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Abtrennung einer Folgesache aus dem Scheidungsverbund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem auf § 623 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO gestützten Abtrennungsantrag ist grundsätzlich voraussetzungslos stattzugeben.

2. Ein Abtrennungsantrag betreffend die Folgesache 1 ist nicht missbräuchlich gestellt, wenn diese Folgesache entscheidungsreif ist, weil der Ehemann, der die Abtrennung beantragt, dem Sorgerechtsantrag zustimmt.

3. Eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Abtrennungsantrag zur Folgesache 1 mit einem Antrag auf Abtrennung der nicht entscheidungsreifen Folgesache 5 verbunden wird.

 

Normenkette

ZPO § 623 Abs. 2 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 14.04.2004)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Bremen v. 11.2.2004 dahingehend abgeändert, dass die Folgesachen 1 (elterliche Sorge) und 5 (nachehelicher Unterhalt) aus dem Scheidungsverbund abgetrennt werden.

Der Gegenstandswert wird auf 500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Im vorliegenden Verfahren sind im Verbund anhängig die Folgesachen 1, 5 und 6. Mit der Folgesache elterliche Sorge beantragt die Antragsgegnerin, ihr das Sorgerecht für die Tochter L. allein zu übertragen. Der Antragsteller stimmt zu. Die Auskünfte der beteiligten Versorgungsträger in der Folgesache 6 liegen vor. Mit der Folgesache 5 begehrt die Antragsgegnerin im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Einkünfte des Antragstellers. Die Auskunft ist bisher nicht erteilt. Mit Schriftsatz v. 19.1.2004 hat der Antragsteller nunmehr unter Hinweis auf § 623 Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO beantragt, die Folgesachen 1 und 5 abzutrennen. Das FamG hat die Abtrennung mit Beschluss v. 11.2.2004 abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde v. 16.2.2004. Er rügt, einem Abtrennungsantrag nach § 623 Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO sei zwingend zu entsprechen.

Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig (OLG Düsseldorf v. 3.9.1999 - 3 WF 147/99, FamRZ 2000, 840; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 623 Rz. 32i; Sarres, FuR 2003, 159 [161]), sie ist auch in der Sache begründet.

Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein auf § 623 Abs. 2 ZPO gestützter Abtrennungsantrag abgelehnt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (zum Meinungsstand: OLG Köln v. 25.4.2002 - 14 WF 42/02, OLGReport Köln 2002, 357 = MDR 2002, 1374 = FamRZ 2002, 1570 [1571]; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 623 Rz. 32 f, g).

Die Familiensenate des OLG Bremen haben in zwei nicht veröffentlichten Entscheidungen (OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2003 - 4 WF 88/03; Beschl. v. 29.1.2004 - 5 UF 64/03) die Ansicht vertreten, dem Antrag sei grundsätzlich zu entsprechen. Ob der Antrag in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn die Abtrennung zu einem offensichtlich unangemessenen Ergebnis führe (OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2003 - 4 WF 88/03) oder die antragstellende Partei sich damit zu missbilligende Vorteile verschaffe (OLG Bremen, Beschl. v. 29.1.2004 - 5 UF 64/03), abgelehnt werden könne, haben die Senate offen gelassen. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

Nach in Rechtsprechung und Literatur überwiegender Meinung ist einem Abtrennungsantrag nach § 623 Abs. 2 ZPO grundsätzlich stattzugeben (AG Rastatt, FamRZ 1999, 519; OLG Düsseldorf v. 3.9.1999 - 3 WF 147/99, FamRZ 2000, 840 [841]; OLG Frankfurt v. 18.12.2000 - 3 WF 189/00, FamRZ 2001, 1227; OLG Hamm v. 14.9.2000 - 1 WF 177/00, FamRZ 2001, 554; v. 1.3.2001 - 4 WF 26/01, FamRZ 2001, 1229; OLG Stuttgart v. 10.2.2003 - 17 WF 234/02, OLGReport Stuttgart 2003, 467 = NJW-RR 2003, 795; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 623 Rz. 32i; Niepmann, MDR 2000, 613 [619]). Es wird jedoch diskutiert, ob zumindest rechtsmissbräuchlich gestellte Anträge gegen den Wortlaut des § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO abgelehnt werden können (Musielak/Borth, ZPO, 3. Aufl., § 623 Rz. 11; Finger in MünchKomm/ZPO, § 623 Rz. 8, 47; Büttner, FamRZ 1998, 592; NJW 1999, 2315 [2326]). Ein solcher Missbrauchsfall wird angenommen, wenn die Abtrennung eine schnelle Ehescheidung ermöglicht, die Entscheidung über das Sorgerecht aber auf nicht absehbare Zeit hinausgeschoben wird (OLG Frankfurt FF 2001, 66; OLG Köln v. 25.4.2002 - 14 WF 42/02, OLGReport Köln 2002, 357 = MDR 2002, 1374 = FamRZ 2002, 1570 [1571]; OLG Schleswig v. 1.10.1999 - 10 WF 157/98, OLGReport Schleswig 2000, 111). Es sei nicht gesetzgeberische Intention der Neuregelung des § 623 ZPO gewesen, eine Ehescheidung vor Regelung der anhängigen Folgesachen, insb. vor der Regelung zur elterlichen Sorge, zu ermöglichen. Der Gesetzgeber habe vielmehr wegen der Streichung des § 1672 BGB eine Vorabentscheidung über das Sorgerecht ermöglichen wollen. Da die Regelung des § 628 S. 1 Nr. 3 ZPO aber unverändert geblieben sei, sei eine Auflösung des Verbundes nach wie vor nur unter engen Voraussetzungen möglich. Anderenfalls werde die Warn- und Schutzfunktion des Verbundes ausgehöhlt (Bütt...

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