Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Anschaffungskosten für ein Kfz bei Beantragung von Verfahrenskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Beteiligten, der Verfahrenskostenhilfe beantragt, richtet sich die Berücksichtigungsfähigkeit berufsbedingter Fahrtkosten bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs nach § 3 Abs. 6 der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII. In den dort geregelten Pauschalen sind etwaige Anschaffungskosten für ein Kraftfahrzeug nicht enthalten.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 2; SGB XII § 82

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Beschluss vom 26.11.2010; Aktenzeichen 153 F 465/10)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Bremerhaven vom 26.11.2010 dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe monatliche Raten von 30 EUR zu zahlen hat.

2. Die für das Beschwerdeverfahren erhobene Gerichtsgebühr wird gem. Nr. 1912 KV FamGKG auf die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

I. Das AG - Familiengericht - Bremerhaven hat der Antragsgegnerin für das vorliegende Umgangsverfahren mit Beschluss vom 21.9.2010 Verfahrenskostenhilfe unter Vorbehalt einer Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Mit Beschluss vom 26.11.2010 hat das Familiengericht nachträglich eine monatliche Ratenzahlung von 135 EUR angeordnet. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 7.3.2011.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zu einer Reduzierung der vom Familiengericht angeordneten Raten. Aus dem monatlichen Bruttoeinkommen der Antragsgegnerin i.H.v. 2.834 EUR ergibt sich unter Berücksichtigung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes bei Steuerklasse IV und drei Kinderfreibeträgen ein Nettoeinkommen von 1.955,54 EUR (berechnet mit Gutdeutsch, familiengerichtliche Berechnungen).

1. Berufsbedingte Fahrtkosten

Vom Einkommen der Antragsgegnerin sind berufsbedingte Fahrtkosten abzuziehen, und zwar i.H.v. 5,20 EUR je Entfernungskilometer zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte der Antragsgegnerin gem. § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 82 SGB XII (so mit überzeugender Begründung OLG Karlsruhe, Beschluss 29.1.2009, FamRZ 2009, 1165, 1166 m.w.N. auch zur Gegenansicht; ebenso Motzer in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2008, § 115 ZPO Rz. 28; Schürmann, FuR 2006, 14, 15).

2. Versicherungsbeiträge

Beiträge zu Versicherungen kann die Antragsgegnerin i.H.v. höchstens 101,76 EUR monatlich geltend machen. Versicherungsbeiträge sind vom Einkommen eines Verfahrenskostenhilfe beantragenden Beteiligten abzuziehen, soweit die Versicherung gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen ist. Angemessen sind grundsätzlich die private Haftpflichtversicherung, Hausrat- und Glasversicherung, private Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen und nicht kapitalbildende Risikolebensversicherungen (Bork, in Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl. 2004, § 115 ZPO Rz. 38 m.w.N.; Motzer, a.a.O., § 115 ZPO Rz. 27; vgl. auch Schürmann, FuR 2006, 14, 15). Die Kosten der privaten Haftpflichtversicherung, der Glasversicherung und der Hausratversicherung kann die Antragsgegnerin allerdings entsprechend der Auffassung des Familiengerichts nur in hälftiger Höhe geltend machen, da davon auszugehen ist, dass der Ehemann der Antragsgegnerin durch diese Versicherungen mitversichert ist und sich an der Zahlung der Versicherungsprämien beteiligt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er nach den überreichten Unterlagen über ein vergleichbar hohes Einkommen wie die Antragstellerin verfügt. Für die private Haftpflichtversicherung sind daher monatlich 3,42 EUR zu berücksichtigen, für die Glasversicherung monatlich 2,44 EUR und für die Hausratversicherung monatlich 9,63 EUR.

Nicht absetzbar ist der Beitrag zur Krankentagegeldversicherung der Antragsgegnerin. In der Regel ist es nicht angemessen, dass ein in abhängiger Stellung Beschäftigter bei engen finanziellen Verhältnissen eine solche Versicherung abschließt, weil er über die Sozialversicherung und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle ausreichend geschützt ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.1992, Gesch.-Nr. 2 WF 202/92, zitiert nach juris). Besondere Umstände, die den Abschluss einer Krankentagegeldversicherung ausnahmsweise notwendig erscheinen lassen, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Ob die Beiträge für die Tierhalterhaftpflichtversicherung und die zusätzliche private Krankenversicherung als besondere Belastungen anzuerkennen sind, kann offen bleiben, da es für die Ratenhöhe nicht erheblich ist. Bei Berücksichtigung der o.g. Versicherungsprämien, der Prämien für die Risikolebensversicherungen i.H.v. insgesamt monatlich 22,72 EUR, für die Unfallversicherung i.H.v. monatlich 9,70 EUR und für die Berufsunfähigkeitsversicherungen i.H.v. monatlich insgesamt 22,57 EUR ergeben sich einsch...

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