Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Wertausgleich von Anrechten gleicher Art, unangemessen hoher Verwaltungsaufwand
Leitsatz (amtlich)
Der Halbteilungsgrundsatz gebietet es in der Regel, beiderseitige Anrechte gleicher Art in der gesetzlichen Rentenversicherung trotz geringer Differenz ihrer Ausgleichswerte in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen, wenn keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass den beteiligten Versorgungsträgern dadurch ein unangemessen hoher Verwaltungsaufwand entsteht.
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Beschluss vom 04.07.2016; Aktenzeichen 154 F 603/14) |
Tenor
Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremerhaven vom 04.07.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die weitere Beteiligte zu 2.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 04.07.2016 hat das Familiengericht auf den am 15.11.2014 zugestellten Scheidungsantrag die am 02.02.2005 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossene Ehe geschieden und über den Versorgungsausgleich entschieden.
Gegenstand der Entscheidung über den Versorgungsausgleich sind allein Anrechte der geschiedenen Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Antragstellerin hat in der Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) vom 01.02.2005 bis zum 31.10.2014 bei der weiteren Beteiligten zu 1. ein Anrecht in Höhe von 0,8041 Entgeltpunkten erworben, dessen Ausgleichswert 0,4021 Entgeltpunkte beträgt, was einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.649,02 EUR entspricht. Der Antragsgegner hat in der Ehezeit bei der weiteren Beteiligten zu 2. ein Anrecht in Höhe von 1,5834 Entgeltpunkten erworben, dessen Ausgleichswert 0,7917 Entgeltpunkte beträgt, was einem korrespondierenden Kapitalwert von 5.215,70 EUR entspricht. Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich durch interne Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) dieser Anrechte durchgeführt, obwohl die Differenz ihrer Ausgleichswerte mit 2.566,68 EUR den nach § 18 Abs. 3 VersAusglG hier maßgebenden Grenzwert von 3.318 EUR (120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV) unterschreitet und somit ein Fall des § 18 Abs. 1 VersAusglG vorliegt, wonach das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen soll, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH auf das ihm eingeräumte Ermessen hingewiesen und ausgeführt, dass weder den beteiligten Versorgungsträgern ein so unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entstehe, dass die Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes gerechtfertigt sei, noch den Versorgungsträgern unzumutbare geringfügige Splitterversorgungen entständen.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wendet sich die weitere Beteiligte zu 2., der der erstinstanzliche Beschluss am 03.08.2016 zugestellt worden ist, mit ihrer am 10.08.2016 beim Familiengericht eigelegten Beschwerde, die darauf abzielt, einen Wertausgleich wegen der geringen Differenz der Ausgleichswerte nicht stattfinden zu lassen.
II. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich zu Recht und mit zutreffender Begründung durchgeführt.
Zwar trifft es zu, dass in Fällen, in denen - wie hier - die Differenz der Ausgleichswerte beiderseitiger Anrechte gleicher Art gering i.S. des § 18 Abs. 3 FamFG ist, das Familiengericht nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 FamFG diese Anrechte nicht ausgleichen soll. Die "Soll-Fassung" der Vorschrift verdeutlicht indes, dass das Familiengericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden hat, ob trotz geringer Wertdifferenz ein Ausgleich der Anrechte vorzunehmen ist. In diesem Zusammenhang ist das zwischen § 18 VersAusglG und dem im Versorgungsausgleich geltenden Halbteilungsprinzip bestehende Spannungsverhältnis zu beachten. Mit der hälftigen Teilung der erworbenen Anrechte soll grundsätzlich die gleiche Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erwirtschafteten Versorgungsvermögen gewährleistet werden. Auch wenn der Halbteilungsgrundsatz vom Gesetz nicht ausnahmslos eingehalten wird, so ist er gleichwohl der auch verfassungsrechtlich gebotene Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts und bei der Auslegung einzelner Vorschriften sowie bei Ermessensentscheidungen vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BGH FamRZ 2013, 1636, 1639; 2012, 192, 195; 513, 514). Gesetzlicher Zweck der Regelung des § 18 VersAusglG ist es, zu vermeiden, dass hinsichtlich geringer Ausgleichswerte - sei es bezüglich der Differenz auch hoher Anrechte gleicher Art (Abs. 1), sei es bezüglich einzelner Anrechte (Abs. 2) - ein unverhältnismäßiger Aufwand bei den Versorgungsträgern und Familiengerichten mit der Folge der Splitterung der Versorgungsanrechte betrieben w...