Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Wertausgleich von Anrechten gleicher Art, unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand
Leitsatz (amtlich)
1. Der Halbteilungsgrundsatz gebietet es in der Regel, beiderseitige Anrechte gleicher Art in der gesetzlichen Rentenversicherung trotz geringer Differenz ihrer Ausgleichswerte in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen, wenn keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass den beteiligten Versorgungsträgern dadurch ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entsteht. was in der Regel jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn beide früheren Ehegatten noch keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen.
2. Bei der nach § 18 Abs. 1 VersAusglG zu treffenden Ermessenentscheidung ist u.a. zu berücksichtigen, ob der im Saldo Ausgleichsberechtigte dringend auch auf Bagatellbeträge angewiesen ist.
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 23.05.2016; Aktenzeichen 67 F 2529/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 23.5.2016 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die weitere Beteiligte zu 2.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die am 17.6.2011 zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geschlossene Ehe geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich geregelt.
Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin haben unter anderem Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der Antragsteller hat bei der Knappschaft-Bahn-See ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 6,1404 Entgeltpunkten erworben. Der Versorgungsträger hat einen Ausgleichswert i.H.v. 3,0702 Entgeltpunkten vorgeschlagen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 20.093,88 EUR. Die Antragsgegnerin hat ein Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem Ehezeitanteil von 5,1576 Entgeltpunkten erworben. Der Versorgungsträger hat einen Ausgleichswert von 2,5788 Entgeltpunkten vorgeschlagen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 16.877,76 EUR.
Das Familiengericht hat diese beiden Anrechte in seiner Entscheidung im Wege der internen Teilung ausgeglichen und hierzu ausgeführt, dass zwar die Differenz der Ausgleichswerte mit 3.216,12 EUR die nach § 18 Abs. 1, 3 VersAusglG maßgebende Bagatellgrenze von 3.402 EUR unterschreite, ein Ausgleich aber gleichwohl geboten sei, weil durch die Übertragung der Anrechte für die Versorgungsträger kein so unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entstehe, dass dies die Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes rechtfertige.
Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte zu 2, der der erstinstanzliche Beschluss am 7.7.2016 zugestellt worden ist, mit ihrer am 4.8.2016 beim Familiengericht eingegangenen Beschwerde, die darauf abzielt, einen Wertausgleich der in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte wegen der geringen Differenz der Ausgleichswerte nicht stattfinden zu lassen.
II. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das Familiengericht die von den geschiedenen Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte im Wege der internen Teilung ausgeglichen.
1. Zwar unterschreitet die Differenz der Ausgleichswerte der beiden Anrechte den nach § 18 Abs. 3 VersAusglG maßgebenden Grenzwert von 3.402 EUR (120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV) und ist damit gering im Sinne des § 18 Abs. 3 VersAusglG. Gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist.
2. Die Ausgestaltung des § 18 Abs. 1 VersAusglG als Sollvorschrift eröffnet dem Tatrichter einen Ermessensspielraum, der den Ausgleich trotz Geringwertigkeit des Anrechts immer dann erlaubt, wenn dies aufgrund besonderer Umstände zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes geboten ist (BGH, FamRZ 2015, 313, Rn. 30). Denn gesetzlicher Zweck der Regelung des § 18 VersAusglG ist die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts und der Aufnahme eines Anwärters in das Versorgungssystem verbunden sein kann. Es sind aus diesem Grunde in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen. Andererseits ist der Halbteilungsgrundsatz nach wie vor Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts. Der Ausschluss eines Ausgleichs von Bagatellanrechten zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung findet seine Grenze daher in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes (BGH, FamRZ 2012, 192 Rn. 41; FamRZ 2015, 2125 Rn. 25).
3. Haben beide Ehegatte...