Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit der Verfahrenskostenhilfeablehnung bei einstweiliger Anordnung ohne mündliche Erörterung in den Fällen des § 57 S. 2 FamFG

 

Leitsatz (amtlich)

In den Fällen des § 57 S. 2 FamFG ist gegen eine die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ablehnende Entscheidung die sofortige Beschwerde auch dann statthaft, wenn über die zugrunde liegende einstweilige Anordnung bisher nur ohne mündliche Erörterung entschieden worden ist.

 

Normenkette

FamFG §§ 57, 76 Abs. 2; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 Hs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 30.11.2012; Aktenzeichen 67 F 3454/12 EAGS)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 30.11.2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie den hierauf gerichteten Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe.

II.1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft.

a) Zwar ist eine Beschwerdemöglichkeit gegen auf mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung gestützte Verfahrenskostenhilfeablehnungen nicht gegeben, wenn in der Hauptsache ein Rechtsmittel nicht statthaft ist. Dies gilt nicht nur für den in § 127 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 ZPO geregelten Fall des Nichterreichens des Berufungs- oder Beschwerdewertes, sondern nach zutreffender allgemeiner Auffassung auch bei Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen, die nach § 57 FamFG nicht anfechtbar sind (BGH, Beschl. v. 18.5.2011 - XII ZB 265/10; FamRZ 2011, 1138 Rz. 15; Beschl. v. 23.2.2005 - XII ZB 1/03, FamRZ 2005, 790; OLG Bremen, Beschl. v. 4.4.2011 - 4 WF 46/11; Beschl. v. 26.7.2011 - 4 WF 115/11; Beschl. v. 18.2.2011 - 5 WF 16/11; Zimmermann, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., Rz. 703; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 127 Rz. 47; Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 76 Rz. 54). Auf diese Verfahren ist § 127 Abs. 2 S. Halbs. 2 ZPO analog anzuwenden, um zu vermeiden, dass eine im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergangene Entscheidung des Rechtsmittelgerichts in der Sache der - nicht anfechtbaren - Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in der Hauptsache widerspricht oder diese präjudiziert (BGH, Beschl. v. 18.5.2011 - XII ZB 265/10; FamRZ 2011, 1138 Rz. 15; Beschl. v. 23.2.2005 - XII ZB 1/03, FamRZ 2005, 790).

b) Dies gilt nach Auffassung des Senats aber nur bei einstweiligen Anordnungen, für die der Weg in die zweite Instanz von vornherein nicht eröffnet ist. Gemäß § 57 S. 2 FamFG sind Entscheidungen über die dort aufgeführten Verfahrensgegenstände - u.a. gem. § 57 S. 2 Nr. 4 FamFG Entscheidungen in Gewaltschutzsachen - anfechtbar, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges auf Grund mündlicher Verhandlung entschieden hat. Entscheidet das erstinstanzliche Gericht über diese Verfahrensgegenstände im schriftlichen Verfahren, so ist eine gleichzeitig erfolgte Verfahrenskostenhilfeablehnung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, obwohl die Zurückweisung der einstweiligen Anordnung selbst - zunächst - gem. § 57 S. 1 FamFG nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist.

Zwar wird insofern vertreten, dass die auf fehlende Erfolgsaussicht gestützte Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe auch in den Fällen des § 57 S. 2 FamFG nur dann anfechtbar sei, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges auf Grund mündlicher Verhandlung entschieden habe, weil auch in diesen Fällen im schriftlichen Verfahren ergangene Entscheidungen gem. § 57 S. 1 FamFG unanfechtbar seien (OLG Hamm, Beschl. v. 11.5.2011 - 8 WF 281/10, FamRZ 2011, 53; Beschl. v. 9.6.2010 - 10 WF 92/10, FamRZ 2011, 234; OLG Celle, Beschl. v. 30.11.2010 - 10 WF 375/10, FamRZ 2011, 918; OLG Köln, Beschl. v. 29.7.2010 - 4 WF 124/10 - Juris; Schürmann in: Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, 11. Kapitel Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl., Rz. 296).

Nach anderer Auffassung hat in den Fällen des § 57 S. 2 FamFG eine Anfechtung einer die Erfolgsaussicht verneinenden Verfahrenskostenhilfeablehnung zur Voraussetzung, dass bei dem Gericht des ersten Rechtszuges ein Antrag auf erneute Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung gem. § 54 Abs. 2 FamFG gestellt worden ist (OLG Köln, Beschl. v. 24.8.2011 - 4 WF 156/11).

Eine weitere Ansicht hält die Anfechtung einer mit mangelnder Erfolgsaussicht begründeten Verfahrenskostenhilfeablehnung ohne durchgeführte mündliche Verhandlung nur dann für zulässig, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in den Fällen des § 57 S. 2 FamFG unter der Bedingung der Verfahrenskostenhilfebewilligung steht (OLG Hamm, Beschl. v. 7.1.2013 - 4 WF 261/12).

Diesen Auffassungen vermag der Senat jedoch nicht zu folgen....

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