Leitsatz (amtlich)

Steht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in den Fällen des § 57 Satz 2 FamFG unter der Bedingung der VKH-Bewilligung, ist gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgssaussicht die Beschwerde auch ohne durchgeführte mündliche Verhandlung statthaft.

 

Verfahrensgang

AG Schwerte (Beschluss vom 05.11.2012)

 

Tenor

Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde wird auf den Senat übertragen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Schwerte vom 5.11.2012 abgeändert und der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G aus T bewilligt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Die vier aus der Ehe hervorgegangenen Kinder zwischen 3 und 9 Jahren leben im Haushalt der Antragstellerin; der Antragsgegner pflegt Umgang mit den Kindern.

Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner rufe sie an einzelnen Tagen mehrfach und bis zu knapp 100mal tagsüber und nachts an, zuletzt in der Nacht vom 15.9. auf den 16.9.2012. Er betitele sie als "Schlampe", "Hure". Er werfe ihr vor, sie gehe auf den Strich und die jüngsten Kinder seien nicht von ihm. Durch die Anrufe sei ihre Lebensführung eklatant eingeschränkt.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag vom 19.9.2012 Verfahrenskostenhilfe für ihren beabsichtigten Antrag begehrt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, sie zu belästigen und zu beleidigen, sie insbesondere mit Telekommunikationsmitteln zu kontaktieren. Ihren Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hat sie ausdrücklich unter die Bedingung der Verfahrenskostenhilfebewilligung gestellt.

Der Antragsgegner hat sich bisher nicht geäußert.

Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 5.11.2012 mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

Es bestehe kein Anordnungsgrund. Denn dadurch, dass zunächst über das Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden werden sollte, sei das einstweilige Anordnungsverfahrens so lange verzögert worden, dass nun keine Eilbedüftigkeit mehr gegeben sei.

Dagegen hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde erhoben und begehrt weiterhin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.) Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe ist zulässig, obwohl aufgrund des bedingten Hauptsacheantrags ein einstweiliges Anordnungsverfahren nicht anhängig ist und somit keine mündliche Erörterung stattgefunden hat.

In der Regel ist die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 bis 4, 567 ff. ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

Das gilt aber gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO dann nicht, wenn die Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht verneint wurde und die Hauptsache mangels Erreichen des Berufungs- oder Beschwerdewertes nicht in die zweite Instanz gebracht werden könnte. Das Beschwerdegericht darf also die Erfolgsaussicht der Hauptsache nur prüfen, wenn auch die Hauptsache zu ihm als Rechtsmittelgericht gelangen kann (s. d. BGH MDR 2004, 1435). Das dient dem Zweck, zu vermeiden, dass Instanz- und Rechtsmittelgericht im abgeschlossenen Hauptsacheverfahren und mehrstufigen Nebenverfahren zu einander widersprechenden Entscheidungen gelangen (BGH, Beschl. v. 23.2.2005 - XII ZB 1/03 - m.w.N.) oder eine im Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren ergangene Entscheidung des Rechtsmittelgerichts die nicht anfechtbare Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in der Hauptsache präjudiziert (BGH, Beschl. v. 18.5.2011 - XII ZB 265/10).

Diese Beschränkung des Rechtsmittels im Verfahrenskostenhilferechtszug gilt grundsätzlich auch, wenn es sich in der Hauptsache um eine einstweilige Anordnung handelt. Gemäß § 57 S. 1 FamFG sind erstinstanzliche Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen nicht anfechtbar.

Dies gilt gem. § 57 S. 2 FamFG aber dann nicht, wenn ein bestimmter Verfahrensgegenstand vorliegt und das Gericht des ersten Rechtszuges aufgrund mündlicher Erörterung entschieden hat. Daraus wird allgemein gefolgert, dass die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht der einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz nur dann anfechtbar ist, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat (OLG Hamm, 8. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 11.5.2011 - 8 WF 281/10; OLG Hamm, 10. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 9.6.2010 - 10 WF 92/10; OLG Köln, Beschl. v. 24.8.2011 - 4 WF 156/11, Beschl. v. 29.7.2010 - 4 WF 124/10; OLG Celle, Beschl. v. 30.11.2010 - 10 WF 375/10).

Diese Auffassung wird grundsätzlich auch vom erkennenden Senat geteilt. Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Ausnahme geboten, die zur Zulässigkeit dieser Beschwerde im Verfahrenskostenhilfeverfahren führt, obwohl das erstinstanzliche Gericht weder im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren, noch in der Hauptsache der einstweiligen Anor...

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